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Anzufangen mit einer Neuen Spiritualität

 

SOZIOKRATIE
(GemeinschaftsDemokratie)

Demokratie wie sie sein könnte; veröffentlicht in Mai 1945
von Kees Boeke (1884-1966)

(Kees Boeke war der Gründer der Werkplaats GemeinschaftsSchule in Holland, wo drei von Königin Juliana's Kinder ihre frühe Ausbildung bekamen. Am Ende des letzten Krieges war er verhaftet von den Deutschen weil er Juden verbarg, und in seiner Tasche wurde eine Deklaration gefunden, getitelt "Keine Diktatur", was ihn fast seinen Leben kostete. Es war ein Entwurf für eine neue demokratische Gesellschaft, sich basierend auf den Erfahrungen seiner Schule und auf den Treffen der Quaker. Dieser Artikel ist eine verkürzte Version von einer späteren Brochüre.)

Soziokratie
(oder Gemeinschaftsdemokratie)

“WAS HABEN WIR GELERNT...?
UND WIE NUN WEITER?

KEINE DIKTATUR!

Die schrecklichen Jahre, die hinter uns liegen*, haben uns allen, selbst denen die am meisten hinters Licht geführt waren, sicher gelernt, daß Diktatur keine Lösung schafft für das Problem der Gemeinschaftsordnung. Vor 1940 fühlten sehr viele unter uns die Unzulänglichkeit des parlamentarischen Systems. Manche verlangten nach einer stärkeren einköpfigen Regierung. Doch nun, nachdem wir das miterlebt haben, werden sicher alle sagen: “Das nie wieder!” Wir sind in de letzten Jahren zu oft überrumpelt worden durch “Verordnungen”, die uns ohne weiteres mitgeteilt wurden, ohne vorherige Beratungen. Wir haben gesehen, wie Macht misbraucht wurde, wie viele unserer besten Leute gefangen genommen wurden, ja sogar exekutiert wurden, ohne jegliche Form von Prozeß, ohne die Möglichkeit, ein höheres Gericht anzurufen. Wir waren Zeugen der sinnlosen und unmenschlichen Mißhandlung der Juden. Wir haben gesehen, wie alle Freiheit verschwand: die Freiheit von Versammlungen, vom Sprechen, vom Gewissen. Wir haben Kunst und Wissenschaft verkümmern sehen, und die höchsten Kulturwerte antasten sehen. Wir haben gemerkt, wie die Schlechtesten als Schaum an die Oberfläche kamen und wie die Besten unterdrückt wurden, oft gefolterd.

*Kees Boeke schrieb dies gegen Ende de zweiten Weltkrieges

Auch haben wir gemerkt, daß Zwang sehr schnell Widerstandsbewegungen hervorruft; ebenso wie Umgehungen, Unehrlichkeit und Betrug auf allen Ebenen. Wir haben gesehen wie Unsittlichkeit auf beunruhigende Weise zugenommen hat, und wir haben uns erstaunt über die große Schnelligkeit, in der sich die Prozesse des Verfalls und Entartung entwickelten, wenn das Gemeinschaftsleben unzutreffend geregelt wird. Auch haben wir gesehen, wie notwendig es ist, daß die menschlichen Triebe wie: Sadismus und Egoismus-im-Allgemeinen gezügelt werden müssen. Denn wir sahen, wie Monster losbrachen, sobald sich ihnen durch schlechte Führung die Gelegenheit bot. Eine eigenartige Lektion, die uns auch zeigte, daß selbst die schlimmsten Bedrohungen und die schärfsten Abschreckungen nicht genug sind, um einen Menschen von seinen Untaten abzuhalten. Und so weist alles in die Richtung von soviel wie möglich vermeiden von Zwang, unter Bewahrung von wirklicher realer Ordnung und Verordnung.

AUCH KEIN (ÜBLICHER) PARLAMENTARISMUS*
(PARTEIENSYSTEM)

Müssen wir denn wieder zurück zu den Zuständen von vor 1940, also nach der parlamentären Demokratie? Ich antworte: Nein, auch jene war nicht ideal. Sie hat zu einer grauenhaften Verteilung unserer Volkseinheit geführt, die wir am besten Zersplitterung nennen können, wenn wir an die außergewöhnlich hohe Anzahl großer und kleiner Parteien denken, die sich bei den letzten Wahlen formierten. Wir denken mit Schrecken zurück an die endlosen Debatten in den Kammern, an die vielen Demagogien und Reden-auf-den-Tribunen, an die Machtlosigkeit der Regierungen, infolge des Systems, in dem die Zahl regiert. Wenn die Mehrheit zwingen kann, liegt es auf der Hand, daß oftmals die Gruppenbelange vorgehen. Denn leider ist es häufig so, daß die Mehrheit eher auf Eigenbelang, oder die Belange der eigenen Gruppe gerichtet ist. Außdem ist die Mehrheit noch unterentwickelt, sodaß wir, wenn wir sie regieren lassen, nicht unbedingt die Sicherheit haben, daß die Ordnung durch die Uneigennützige und meist fähige Personen geleitet werden wird.

* Kees Boeke meint der Parlementarismus wie es vor dem Krieg gegeben hatte. Er ist nicht gegen die Demokratie als solches. Im Gegenteil! Er schlägt ja vor die ganze Gesellschaft von "Räten" - also parlementarische Entscheidungskörper auf allen Ebenen - regieren zu lassen. Das was ich "GemeinschaftsDemokratie" nenne.

Politische Parteien raus, mehr Demokratie rein

Auch wenn ich die Gefahren und Mängel des parlamentarischen Systems noch so deutlich seh, ist mir klar, daß die Regierung nicht anders kan als wie bisher; nämlich durch Wahlen eine neue Volksvertretung zu formieren. Und... wir sollten alle dankbar sein, daß die Regierung mehrmals angekündigd hat, daß sie so schnell wie möglich wieder eine demokratische Regierung schaffen will. Solange es keine anerkannte dritte Lösung gibt, ist es unvermeidlich, daß diese Methode wiederum angewandt wird.

DIE DRITTE LÖSUNG: SOZIOKRATIE

Es gibt jedoch noch eine dritte Möglichkeit, und es ist, daß ich fest davon überzeugt bin, daß es Mittel und Wege hierfür gibt. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, mich persönlich an alle denkenden Menschen zu richten, die ich erreichen kann.

Diese dritte Lösung muß natürlich ‘demokratisch’ sein, in dem Sinne, daß sie uns, gewöhnliche Individuen des Volkes, die Gelegenheit bietet, mitverantwortlich zu sein in Beziehung auf die (Neu-)Ordnung des gesellschaftlichen Lebens, und zugleich Teil zu haben an selbiger Führung. Es sollte jedoch keine Demokratie sein, die auf Macht gegründet ist, sei es denn auch die Macht einer Mehrheit. Sondern eine wirkliche Gemeinschafts-Demokratie; das ist die Ordnung einer Gemeinschaft durch die Gemeinschaft, anders gesagt, ein Selbstdisziplin der Gemeinschaft. Hierfür verwende ich den Ausdruck “Soziokratie”. Ein solches System ist von geringem Wert, solange es nur auf theoretische Anweisungen beruht. Sein Wert wird unmittelbar steigen, wenn die Ausübung seine Gediegenheit bewiesen hat. Jeder, der einigermaßen England und Amerika-orientiert ist, kennt die “Gesellschaft/Genossenschaft der Freunde”, oder die Quakers, wie sie genannt werden. Diese haben, wie man weiß, in jenen Ländern sehr viel Einfluß, und wurden weltweit bekannt durch ihre vielen und wertvollen Werke in Bezug auf praktischen sozialen Gebieten. Diese Quakers nun, haben mehr als drei Jahrhunderte Erfahrung mit ihrem System der Gemeinschaftsordnung, die auch jede Entscheidung auf Grund von Stimmenmehrheit ablehnen und alle gemeinschaftlichen Aktionen basieren auf gegenseitige Übereinstimmung.

Aus eigener jahrelanger Erfahrung mit zunehmenden Gruppen Kinder und älteren Leuten, kann ich bestätigen, daß die Anwendung eines solches Systemes möglich ist auf Basis von völliger Erkennung vom Wohl-des-Anderen, als ebenso reell wie unser eigenes Wohlergehen. Wenn wir beim suchen nach Lösungen für die Ordnung unseres gesellschaftlichen Lebens, ausgehen von diesen einfachen Grundgedanken, entsteht von selbst der Geist des guten Willens, der das Finden einer Lösung, die für alle befriedigend ist, fördert; ja, wir könnten sagen “Ein heiliger Geist”, weil er das Beste in Menschen hervorruft. Ich glaube, daß es derselbe Geist ist, der die Quakers “ leitet”, wenn sie nach “Gottes Willen” suchen. Wenn ich nun auf Grund meiner eigenen praktischen Erfahrung davon erzeugt worden bin, daß es möglich ist, in einer Gruppe, bestehend aus ein paar Hundert Personen aus allen möglichen Kreisen, von Jung bis Alt, und mit den verschiedensten Überzeugungen, auf diese Weise harmonisch zusammen zu arbeiten, glaube ich, daß es sehr wohl auch im größeren Kreise der menschlichen Gesellschaft ausführbar sein könnte. Viele werden sehr skeptisch gegenüber meinen Auslassungen sein. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich darin, daß diese Leute gewöhnt sind an Kreise, in denen letzten Endes immer die Mehrheit, oder eine bestimmte Person Entscheidungen treffen, so daß sie nicht wissen, wie so ganz anders die Atmosphäre wird, wenn die Leitung einer Gruppe auf sichselbst gegründet ist, und wenn jeder weiß, daß man, nur wenn man eine Übereinstimmung erreicht, handeln kann. Bei der “Besprechung” (regelmäßige Versammlungen der Gruppe) entsteht von selbst ein intensives gemeinschaftliches Suchen nach einer versöhnenden Lösung, nach Einheit also, und zugleich bekommen diejenigen die Leitung, denen alle vertrauen. Anders ausgedrückt: Es wird sich dort eine geistliche Aristokratie formen, die über den Parteien steht.

Bei einer Durchführung dieses Systems über ein großes Gebiet mit beträchtlich vielen Bewohnern, wird es notwendig sein, Abgeordnete oder Vertreter von mehreren “Besprechungen”zusammen zufügen zu einer Besprechung höheren Ordens, die sich über das größere Gebiet erstreckt. Dann wird es sich zeigen, daß jene, die am wenigsten nach eigenen Belangen streben, und auch noch am fähigsten sind, von selbst als Vertrauenspersonen abgeordnet werden in ein Kollegium mit weiteren Verantwortlichkeiten. Wenn eine Gruppe keine Übereinstimmung erreichen kann in Beziehung auf die Abordnung einer Vertrauensperson, sollte die Gruppe nicht in dem höheren Kollegium vertreten sein. Also wird die Gruppe, auch in dieser Beziehung, mit allen Kräften nach Übereinstimmung streben.

Natürlich kann diese Arbeitsweise nicht auferlegt werden, sie kann jedoch angelernt werden: Technik und Grundzüge. Diese sollten von unten nach oben immer mehr die Ganzheit der Gemeinschaftsordnung durchziehen. Ebenso wie das Technische des parlementären Systems sich jahrelang auf Grund von Erfahrungen bis in alle Unterteile entwickelt hat, könnte es im obrigen Fall genauso geschehen, je mehr Vertrauen in eine soziokratische Ordnung entsteht und dieses Vertrauen zunimmt.

DIE NÖTIGE ERZIEHUNG DAZU

10. Als erstes ist es meines Erachtens nötig, eine bewußte Erziehung in die Richtung zu erzielen. In der Schule von heute lernen die Kinder Gehorsam*. Die große Gefahr hiervon hat sich vor noch nicht all zu langer Zeit gezeigt; gerade darum war die Masse so einfach zu manipulieren durch die umsichgreifende Macht des Diktators. Nun ist es nicht etwa so, daß Erziehung und Schulung auf Ungehorsamkeit und Rebellion orientiert sein sollten. Doch dürfte es einige wichtige Aufgabe sein, um Initiativität, soziale Denkweise (nicht nur ich sondern wir alle), Verantwortlichkeit tragen für die Gruppe, usw. angelernt werden. Diese Komponente, die doch so wichtig sind für die Entstehung einer angemessenen Ordnung der Gemeinschaft, sind bisher und werden immer noch vernachlässigt bei der Erziehung unserer Kinder und Jugend. Darum sollten wir uns nicht wundern, daß die Menschheit die so wichtige Kunst-des-Zusammenlebens und Zusammenarbeit immer noch nicht nachleben, beziehungsweise gelernt haben. Auf Grund meiner Erfahrung habe ich die feste Überzeugung, daß eine Kindergemeinschaft, wie jene die seit 1926 in Bilthoven entwickelt worden ist, und die ich beschrieben habe in meinem Buch “Kindergemeinschaft”(Utrecht 1934), alle Möglichkeiten für das lernen-zusammen-zuleben und zusammen-zuarbeiten, bietet. Wenn nämlich Erziehung und Bildung anstatt in Schulen in derartigen Kindergemeinschaften stattfinden würden, dann wird sich herausstellen, daß die Gemeinschaft nach und nach fähig sein wird, sich dem soziokratischem Weg zu ordnen.

*Ungekehrt: die totale Zügellosigkeit von heutzutage ist genauso fatal.

ÜBERGANG VON (ÜBLICHER) PARLAMENTARISCHER
DEMOKRATIE ZU SOZIOKRATIE

11. Eine wichtige Frage nun ist, wie man das parlamentarische System, wie wir es kennen, überbrücken kann und mehr und mehr in die soziokratische Richtung zu leiten, wenn sowohl die Regierung als auch das Volk genügend Vertrauen bekommen hat in eine derartige Ausführung.

12. Es sollte deutlich sein, daß hier keineswegs die Rede ist von einer revolutionären Bewegung. Schließlich geht es darum, alles was nach Macht und Zwang riecht, auszuschließen. Hier wird nicht die Macht durch Mehrheit gemeint, da auch dieses Prinzip im soziokratischen Staat verworfen wird. Was mir möglich erscheint, ist, daß die Regierung einmal zustimmen, ja, vielleicht sogar fördern wird, daß ganz von unten an ein Beginn gemacht werden kann mit dem soziokratischem System. Und zwar auf zweierlei Weise: sowohl geographisch (also in Beziehung auf die anwesenden Nachbarschaften) als funktionell (auf Grund der verschiedenen Betriebe und Berufe). Es wird lediglich auf Grund von Erfahrung, Übung und Erziehung möglich sein, die Kunst von gemeinsam-überlegen und gemeinsame-Absprachen-machen, zu erlernen. Ich selbst habe ein Bild von einer zukünftigen soziokratischen Ordnung in der ganzen Gemeinschaft: Ich kann mir vorstellen, daß z.B. 40 “Nachbarschaften” von jeweils ca. 150 Einwohnern, in “Bezirke” von ca. 6000 Einwohnern vereinigd werden; diese wiederum gehören zu “Distrikten “ von ungefähr 240.000 Seelen, von denen 40 Abgeordnete aus allen Distrikten zu einem ordnenden Kollegium (für’s ganze Land) gesandt werden. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß dies System als Lösung und Musterbeispiel gilt für andere Kontinente, ja, selbst für die ganze Menschheit. Denn ich bin noch immer fest davon überzeugt, daß das Problem der Gemeinschaftsordnung nur dan zu lösen ist, wenn die ganze Menschheit als eine Einheit gesehen wird.

13. Ich bin mir zutiefst davon bewusst, daß Anwendung und Handhabung des soziokratischen Grundsatzes in größerem Maße nur dann möglich sein wird, wenn genügend Einsicht und Vertrauen Epoche machen. Es ist ein erster Versuch hierin, daß ich mich entschlossen habe, obrige Gedanken an meine Mitmenschen vorzulegen.

UMSCHREIBUNG DES SOZIOKRATISCHEN SYSTEMS

14. Wir sollten uns allererst Klarheit über das eigentliche Problem verschaffen: es geht darum, daß eine Gruppe Leute sichselbst dazu “zwingt”, um eine Ordnung ins Leben zu rufen, in der sich alle Mitglieder fügen können. Es gibt nicht länger die Einzelperson, die diktatorische Befehle gibt, denen man ohne weiteres folgen soll. Auch gibt es keine Regierung mehr, die durch eine Stimmenmehrheit gewählt worden ist. Die Gruppe muß erst selber zu einem Beschluß, einer Absprache gekommen sein, mit der vorgefaßten Meinung, daß sich auch jeder Einzelne an diese Absprachen halten wird. Ich habe dies: “Selbstdiszipline der Gruppe”. Man kann es vergleichen mit der Selbstdisziplin des Einzelmenschen, der gelernt hat, Forderungen an sichselbst zu stellen und diesen zu gehorchen.

15. Es gibt einige Grundregeln, die durch jede Gruppe hingenommen werden müssen, sei es klein oder groß, die auf diese Weise arbeiten wollen:

 

1. Es muß versucht werden die Interessen eines jeden Individuen oder jeder Gruppe in gleicher Weise zu wahren.

2. Geht der Belang des Einzelnen gegen die Belange des Ganzen, dann gehen letztere vor.

3. Auf jedem Gebiet muß nach Lösungen gesucht werden, die für alle befriedigend sind. Das heißt, das nur gehandelt werden kann, wenn eine Übereinstimmung statt gefunden hat.

4. Man muß sich an die abgemachten Absprachen, die man selber gemacht hat, oder die durch Vertrauenspersonen gemacht worden sind, halten, solange sie von Kraft sind.

Einige Erläuterung in Bezug auf hieroben sind wahrscheinlich angebracht. Der erste Punkt ist im eigentliche Sinne der wichtigste:

Sub. 1

16. Die wesentliche Sorge des Menschen für seine Mitmenschen, das natürliche Interesse deren wirklicher Belange, ist nichts anderes als die Liebe Deines Nächsten, sowie es im Evangelium geschrieben steht. Es wurde bereits erwähnt: Dort, wo die Sorge um den Anderen, die aufrichtige Anteilnahme im Bezug auf die Belange Anderer, die Liebe besteht, wird eine Gesinnung entstehen, in der wirkliche Harmonie möglich ist. Ohne eine solche Grundlage wird eine soziokratische Orndnung nicht möglich sein. Wo eine derartige Gesinnung entsteht, zeigt sich, daß Menschenkinder aus allen Windrichtungen mit den verschiedensten Auffassungen, Überzeugungen, Charakter, Hintergrund und Alter, im Stande sind, zusammen zu arbeiten und gemeinsam Lösungen zu finden für die Probleme ihrer Gemeinschaft. Es hat sich gezeigt, daß selbst in sehr schwierigen Situationen, in denen anfangs eine Lösung unmöglich schien, diese schließlich doch gefunden wurde. Aus Erfahrung wissen wir, daß manchmal Fehler gemacht werden, doch bei einer normalen Entwicklung in der Gemeinschaft und nach einiger Übung in der Kunst der Zusammenarbeit, sollte die Arbeitsweise mehr und mehr vollkommen angewendet werden.

Sub. 2

17. Wenn die ersten Vorraussetzungen eingehalten werden, braucht man die Zurücksetzung der Belange des Einzelnen beim Belang der Allgemeinheit nicht mehr aufzuerlegen, doch sollte es ganz selbstverständlich durch die Individuen akzeptiert werden, ja, selbst erwünscht.

Sub. 3

18. Der dritte Punkt kann zu ernsten Folgen führen. Als erstes, daß eine Gruppe, die in einem bestimmten Fall keine Übereinstimmung im Bezug der Ausführung eines Planes, erreicht, “verurteilt ist zu Inaktivität”, also scheitert am Nichtstun. Im Grunde ist das nichts Neues, denn auch in der parlamentarische Demokratie kann oft nicht gehandelt werden, weil die “Stimmen streiken”, oder weil die Mehrheit so schwach ist, daß sie nichts ausrichten können . Bei der soziokratischen Arbeitsweise wird ein derartiger Zustand jedoch jeden einzelnen der Mitglieder der Gruppe anspornen zur Suche nach einem Ausweg, möglicherweise in der Form ganz anderer Mittel und Wege. Auf jeden Fall so, daß sich alle darin finden können. Während bei der parlamentarischen Demokratie bei so einer Angelegenheit die Unterschiede erst recht ziemlich scharf betont werden und die Kluft heftiger denn je wird, sollte gerade dann bei der soziokratischen Ordnung ein gemeinschaftliches Suchen entstehen, wodurch der Gemeinschaftssinn eher verstärkt wird. Wohl zu verstehen, wenn man weiß, daß man tatsächlich Übereinstimmung erreichen muß.

19. Etwas muß hier jedoch hinzugefügt werden: Wenn man keine Übereinstimmung im Bezug auf eine gemeinsame Aktion erreichen kann, wird dies meistens bedeuten, daß die bestehende Situation vorläufig beständig bleibt. Daraus könnte man schließen, daß auf diese Art und Weise Konservatismus und Reaktion leicht in die Hand gespielt wird und daß wirklicher Fortschritt unmöglich scheint. Meine Erfahrung hingegen hat mir gezeigt, daß das Gegenteil wahr ist. Das gegenseitige Vertrauen, von dem das soziokratische System stillschweigend ausgeht, führt unvermeidlich zu Fortschritten. Diese werden ansehnlich größer sein, wenn alle im Einklang stehen, anstatt wenn ein Teil der Gemeinschaft mehr erreichen will, doch durch die Opposition Steine in den Weg gelegt bekommt. In so einem Fall wird nämlich ein großer Teil der Energie beider Parteien verbraucht für die Neutralisierung gegenseitiger Aktivitäten.

20. Weiter: Wenn es darum geht daß die Gruppe in einem Kollektiv vertreten wird, bestehend aus den Abgeordneten einiger übereinstimmender Gruppen, kann nur ein Vertreter gesandt werden, wenn er das vollständige Vertrauen von allen hat. Scheint dies unmöglich, dann wird die Gruppe in dem höheren Kollektiv nicht vertreten, und werden die Interessen dieser Gruppe vorläufig durch die Vertreter anderer Gruppen gewahrt werden müssen. Diese Beherzigung sollte, laut den ersten Grundregeln, vollkommen wohlwollend sein. Doch ist es für so eine Gruppe natürlich wünschenswert, einen eigenen Vertreter zu haben. Auch hier ist die dritte Grundregel ein starker Sporn, um Einigkeit zu erlangen. Die praktische Anwendung lehrt uns jedoch, daß, wenn eine Abordnung ohne Macht, doch voll Vertrauen ist, das Finden einer passenden Person kein Grund für unangenehme Gefühle ist und meistens mühelos vonstatten geht.

Sub.4

21. Die vierte Grundstellung besagt, daß, wenn Übereinstimmung erreicht wird, die Absprache in Kraft tritt und bindend ist für alle, die sie gemacht haben, auch im Falle eines Kollektivs höherer Ordnung für diejenigen, die die Gruppe als Vertrauenspersonen abgeordnet haben. Es besteht die Gefahr in der Tatsache, daß sich alle auch an die Absprachen halten müssen, die durch die Vertrauensperson in so einem höheren Kollektiv gemacht worden sind, an denen man nur indirekt Einfluß bei der Wahl gehabt hat. Diese Gefahr besteht zweifellos bei allen ‘gestaffelten Wahlen’, insbesondere bei den parlamentarischen Systemen. Man befürwortet denn auch immer das direkte wählen des ‘man in the street’ der Zentrale, die besetzt ist mit größter Macht bekleideter Funktionären. Demgegenüber steht die Tatsache, daß solche Wahlen bei den meisten auf sehr oberflächliche Grundschläge beruht, während, wie oben angewiesen wurde, leicht allerlei Faktoren mitspielen. Auf der anderen Seite entsteht ein wesentlich anderer Zustand, wenn – sowie es bei der Soziokration der Fall ist – lediglich Absprachen gemacht werden, mit denen alle einverstanden sind.

22. Die Erfahrung hat gelernt, daß eine Gruppe, die auf diese Weise arbeiten will, eine bestimmte Größenordnung haben muß. Eine zu kleine Gruppe würde leicht subjektive Fragen anführen. Die Gruppe muß eine bestimmte Anzahl Mitglieder haben, wenn das persönliche Element weniger schwerwiegend sein soll, im Vergleich zu den objektiven Forderungen der Probleme, die in der ganzheitlichen Gruppe leben. Wenn die Gruppe zu groß ist, wird diese schwieriger zu hantieren sein: es wird lästig sein, die Ruhe zu bewahren; zuviele wollen Gedanken über ein Thema äußern. Kurz gesagt, das Ganze wird schwer und unhandelbar. Bei Besprechungen über größere Richtlinien und allgemeine prinzipielle Themen ist eine Gruppe von ungefähr 40 Personen anzubefehlen. Geht es um die Ausarbeitung von Absprachen der Körperschaft, dann ist eine tägliche Aufsicht oder Kommission notwendig. Eine Gruppe von drei bis fünf, höchstens sieben Personen wäre am besten.

23. Die Arbeit von so einer täglichen Aufsicht oder Kommission ist eigenlich nichts neues. Wenn wir die zahllosen Kommissionen und Verwaltungen untersuchen könnten, würden wir ungezweifelt merken, daß dort, wo es am besten läuft, nahezu nicht gewählt wird. Sie arbeiten schon auf Basis von Übereinstimmung. Wenn in derartigen kleinen Kollektiven gewählt werden muß, bedeutet das oftmals, daß die Stimmung nicht gut ist. Merkwürdig in diesem Verband ist es, daß schon jetzt in vielen wichtigen Räten das Erzielen von Übereinstimmung nicht nur Brauch, ja, selbst erforderlich geworden ist. Interessante Vorbilder sind ab und zu bekannt geworden. In dieser Beziehung ist es bemerkenswert, daß in dem Pakt des Völkerbundes eine Übereinstimmung erhoben wurde. Daß dies scheiterte, sollte kein Wunder sein, denn soziokratische Ordnung kann nur nach und nach und “von unten an” erlangt werden, und nicht von “oben” auferlegt werden.

24. Außerordentlich wichtig bei der Ausführung der soziokratischen Ordnung durch Besprechung von ungefähr 40 Personen ist natürlich die Leitung. Es ist tatsächlich wahr, daß von dem Leiter bei so einer Besprechung sehr viel abhängt. Oftmals ist es selbst so, daß, wenn niemand eine Besprechung gut leiten kann, nicht nur wenig sinnvolle Arbeit verrichtet wird, sondern daß auch kaum eine Übereinstimmung erreicht werden kann. Es geht hier wirklich um eine bestimmte Technik, die angelernt werden muß, will man gute Resultate erreichen. Dies ist eine der wichtigsten Einzelheiten der Erziehung zur Soziokration, über die später mehr gesagt werden wird.

DIE NEUE GEMEINSCHAFT

25. Die Frage ist nun, wie die soziokratische Arbeitsweise im regulieren Gemeinschaftsleben unseres Landes angewendet werden kann. Erst müßte eine Art ‘Umkreisbesprechung’ von vierzig Familienvertretern zustande kommen. Alleinstehende sollten selber kommen; die Familien werden durch eine Person, meist Vater oder Mutter, vertreten. Diese ‘Nachbarschaftsbesprechung’ vereinigt Leute, die dicht beiander in der Nähe wohnen, und die darum am leichtesten zusammen kommen, um die Belange der Umgebung zu besprechen. In den Städten kennen Nachbarn einander kaum oder garnicht. Es wäre nützlich, wenn wir durch die ‘Nachbarschaftsbesprechung’ mehr oder weniger gezwungen werden, uns für die Mitmenschen in nächster Umgebung zu interessieren. Auf dem Lande wohnen Nachbarn oftmals weiter von einander entfernt, trotz dessen ist der Gemeinschaftssinn dort meistens besser wie in den Städten. Bei einer ‘Nachbarschaftsbesprechung’sollten circa 150 Personen, inklusiv Kinder, anwesend sein. Jede solche ‘Besprechung’, in der es gelingt, übereinstimmend einen Vertreter zu finden, wäre dann eine Basis für eine ‘Bezirksbesprechung’ von circa 6000 Personen.

26. Im allgemeinen könnte man behaupten, daß, je größer das Gebiet ist, über die die Besprechung ‘dirigiert’, je weniger frequent die Besprechung zusammen kommen wird: Nachbarn nehmen, wenn nötig, selber Kontakt miteinander auf. Bezirksorganisatoren sollten ein oder zweimal im Monat zusammen kommen. Die Vertreter von circa 40 Bezirken formen eine ‘Distriktsbesprechung’, die über durchschnittlich 240.000 Personen regelend auftreten. Amsterdam würde zum Beispiel eine vierzählige Distriktsbesprechung formen, für Utrecht mit seinen umliegenden Dörfern wäre eine wahrscheinlich ausreichend. All unsere 9 Miljonen Einwohner könnten ungefähr 40 Distrikte umfassen. In der ‘Landbesprechung’ werden also die Belange aller 40 Distrikte durch die Distriktsvertreter angeführt, angenommen, daß jeder Bezirk eine Vertrauensperson hat anweisen können. Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, daß ein Abgeordneter im wesentlichen das vollste Vertrauen der ganzen Gruppe hat. Wir sind so daran gewöhnt, an einen Abgeordneten zu denken, der durch die Mehrheit als Vertreter angestellt worden ist, auch wenn eine Minderheit kein Vertrauen in ihn oder sie hat. Es ist eine wesentliche Voraussetzung für die soziokratische Arbeitsweise, daß Vertrauenspersonen auch wirklich das vollste Vertrauen aller Mitglieder besitzen. Nur dann ist es möglich, flott und zweckmäßig zu handeln.

27. Wie groß das Bedürfnis nach ebensolchen allgemein-vertrauten lokalen Führungskräften ist, haben wir oftmals wahrgenommen. Wenn wir von Korruption und Mißständen auf allerlei Gebieten hörten, fragten wir uns, wie würde es sein, wenn wir Vertrauenspersonen hätten, denen wir derartige Angelegenheiten vorlegen könnten. Wenn es Vertrauenspersonen gäbe, die allgemeine Prestige besäßen, ja, selbst durch Alle spontan und ganz natürlich gehorsam sein würden, wenn ein Notzustand dies verlangen würde.

28. Gerade dort, wo die ganze soziokratische Ordnung auf Vertrauen beruht, ist es keine Hürde, wenn neben den soeben genannten Vertretern mit ihrer Nachbarschafts-, Bezirks-, Distrikts- und Landesregierung, die wir die ‘geographische Vertretung’ nennen, ein zweites System von Vertretern gebildet wird, nämlich die ‘funktionelle Vertretung’. Wir wollen das Wort Kooperation lieber nicht gebrauchen, da es einen unangenehmen Klang für uns bekommen hat durch seine Assoziation mit all den Schrecken der letzten Jahre; doch der Gedanke an eine funktionelle Vertretung gefällt mir ganz gut. Übrigens stammt dieser Gedanke nicht vom National-Sozialismus, er wurde schon viel eher in ganz anderen Kreisen propagiert. Auch die verschiedenen Industrien und Berufe müssen mit einer systematischen Vertretung Abgeordneter teilnehmen an primären, sekundären, und wenn nötig, tertiären Besprechungen, und die Vertrauenspersonen der verschiedenen Kreise von Arbeitern auf allen Gebieten müßen stets verfügbar sein, um ihre fachkundigen Empfehlungen an die Regierung zu geben, neben den Ratschlägen der soeben genannten Abgeordneten.

29. Ich gebrauchte das Wort ‘Regierung. Ich habe nicht die Absicht, einen Plan zu machen, nach dem ein soziokratischer Weg gefolgt wird. Ich sehe es nämlich so, daß wir ausgehen müssen von der wirklichen Situation, sowie sie nun ist. Es gibt eine Regierung, die die Macht hat und die diese Macht ausführt, um von oben herab so gut wie möglich die Ordnung zu bewahren. Diese Regelung von oben ist also als erstes da. Sie ist immer als Erste da. Immer hat jemand oder hat eine Gruppe die Macht in Händen, und nur, wenn die zentrale Macht es will, daß von ‘unten an’ ein demokratisches Institut geformt wird, und die Art und Weise davon, die zentrale Macht die Veränderung beurteilt oder/und zuläßt. Wie ich bereits in einem kurzem Stück erwähnte, können wir dankbar sein, daß die Regierung, die jetzt an der Macht ist, den ausgesprochenen Wunsch hat, wieder zu einer wesentlichen Demokratie zu kommen, in dem Sinne, daß die Stimme des Volkes wieder gehört werden soll; daß wir Einzelpersonen also Mitverantwortlichkeit tragen sollen in der Ordnung des Gemeinschaftsleben. Kurz gesagt, daß die Freiheit wieder eintritt. Darum hat es wenig Sinn, um nun zu verkündigen, wie eine Regierung geformt werden sollte. Wir müssen von der Situation ausgehen, wie sie nun ist, und das Einzige, was möglich sein wird, ist, daß mit voller Einstimmung der Regierung ein Beginn gemacht werden kann mit soziokratischer Arbeit, ganz von ‘unten an’, also vorläufig nur durch die Bildung von ‘Nachbarschaftsbesprechungen’. Wir Menschen müssen einfach leben, unsere gemeinsamen Belange miteinander besprechen, und würdevoll nach Übereinstimmung streben, und dies kann am besten in solchen lokalen Besprechungen. Erst nachdem wir gesehen haben, wie verzwickt dies ist, und nach häufigen Irrtümern und Fehlschlüssen in der Ausführung dieser Kunst, sollen auch Bezirksbesprechungen eingeführt werden. Die Empfehlungen der Leiter solcher Besprechungen könnten schon bei der herkömlichen Einrichtung der Gemeindeverwaltung von großem Wert sein. Ebenso sollte dies später in zunehmendem Maße bei den Bezirksvertretern der Fall sein.

30. Die soziokratische Arbeitsweise wird sich selbst beweisen müssen durch ihre Zweckmäßigkeit. Wenn der Staat genügend Vertrauen hat, um die Ausführung von Umkreisbesprechungen möglich zu machen, ja vielleicht sogar zu fördern, wird das System seine vielen Möglichkeiten zeigen und wird das Vertrauen sowohl beim Staat als auch bei den Bürgern zunehmen. Ich kann mir so vorstellen, daß den ‘Vertrauten’ der Besprechungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt Teilnahme an Gemeindeversammlungen zugelassen wird. Diese Männer und Frauen sollten jedoch nicht an Stimmabgaben teilnehmen, da die Soziokration nicht an derartige Wahlen glaubt, doch wird ihnen gestattet, einen zentralen Platz zwischen den ‘linken’ und ‘rechten’ Parteien einzunehmen. Natürlich wäre es nach einiger Zeit wünschenswert, wenn man sie in vorliegenden Fällen um Rat fragen würden, wenn diese in den vorigen Umkreisbesprechungen bereits erwägt worden sind, weil doch in solchen Besprechungen nach für alle befriedigende Lösungen gesucht wurde. Auch ist es denkbar, daß, wenn das Vertrauen im Laufe der Zeit immer mehr zunimmt, die Ausführung bestimmter Angelegenheiten der Besprechungen übertragen werden, und daß ihnen dafür die nötigen Gelder gegeben werden. Nur dann, wenn nach und nach das Vertrauen in das neue System überall wächst, könnte die Einführung über größere Gebiete ausgebreitet werden. Nur die Besprechungen, in denen es gelingt, eine Vertrauensperson an zu weisen, sollten also in den parlamentär-demokratischen Ausschüssen gehört werden können. Dort, wo der Geist nicht gut war, bleibt man solange unvertreten. Auf diese Weise schalten sie sich selber aus, und sollten sich demnach den Anweisungen anderer fügen müssen.

31. Fragt man, ob das Beiwohnen von Besprechungen verpflichtet werden soll, dann antworte ich, daß das nicht nötig und auch nicht erstrebenswert ist. Man soll vonselber kommen, wenn man weiß, daß man sich an die Absprachen, die gemacht worden sind, zu halten hat. Nur die gleichgültigen werden wegbleiben, und die können ruhig wegbleiben!

32. Findet man eine Entwicklung in diesem Sinne fantastisch? Dann sollte man bedenken, daß die Einrichtung der Gemeinschaftsordnung, sowie wir sie bisher gekannt haben, jedenfalls in gewissem Sinne, zu einer unglückseligen Katastrophe der heutigen Zeit geführt hat. Wir sollten mit Sicherheit auf eine wesentlich andere Basis bauen müssen, wenn der Zustand wirklich verbessert werden soll. Bei der Erwägung einer Möglichkeit für eine Ordnung auf soziokratischem Grundschlag steht auf jeden Fall folgendes fest, und zwar, daß so etwas gänzlich undenkbar ist, wenn es nicht zusammengeht mit, und getragen wird durch eine bewusste Erziehung zur soziokratischen Zusammenarbeit von Jung und Alt. Hierüber wollen wir denn nun auch noch nachdenken.

33. Zum Schluss wollen wir noch eben zurückkommen auf das System der Vertreter durch Abgeordnete. Unsere Aufmerksamkeit ging in erster Linie aus nach einer Regierung im eigenen Land. Das große Problem der Gemeinschaftsordnung wird jedoch niemals auf nationaler Basis gelöst werden können. Wohl kann es einer Landesregierung, informiert durch die geographische und funktionelle Vertretung, gelingen, eine gute Regelung zu schaffen und zu unterhalten, sodaß Ordnung und Ruhe, Wohlfahrt und Glück, möglich sind. Es sollte jedoch deutlich sein, daß es viele Probleme geben wird, die nicht innerhalb der nationalen Grenzen, gelöst werden können. Jedes Land, ist, wie wir wissen, abhängig von den Grundstoffen und Produkten, die durch andere Länder geliefert werden müssen. Somit ist es unvermeidlich, daß das System der Abgeordneten und Vertreter über den ganzen Kontinent ausgebreitet werden muß. Eine ‘Kontinentsbesprechung’ muß dann die Angelegenheiten der betreffenden Erdteile regeln. Die gegenwärtige Technik in Bezug auf Kommunikation, Transport und Organisation kann hierbei sehr behilflich sein.

34. Letzten Endes muß ebenso eine ‘Weltbesprechung’ die Vertreter der Kontinente vereinigen, um auf diese Weise zu einer vernünftigen Verteilung der für die ganze Menschheit zur Verfügung stehenden Grundstoffe und Produkte, zu kommen. Solange alles durch Angst und Mißtrauen beherrscht wird, ist dieses große Weltproblem selbstverständlich unauflösbar. Wenn das Vertrauen zunimmt und die Angst verschwindet, kann das Problem jedoch proportionell zurückgebracht werden, daß selbst ein Kind es lösen könnte. Alles hängt ab von dem bahnbrechendem Geist unter den Menschen. Möge es so kommen, daß sich nach langen Ewigkeiten von Angst, Mißtrauen und Haß, stets mehr ein Geist von Versöhnung und gegenseitiges Vertrauen verbreiten möge. Ich glaube, daß die bewusste Übung der Kunst von soziokratischer Ordnung en derselben Erziehung dazu, die sichersten Wege sind, welche die Menschheit dichter bei einer angemessenen Regelung der Weltprobleme bringt.

“Vernunftgemäßige Ordnung der Menschengemeinschaft”

Bilthoven, 5 Mai 1945, Kees Boeke

Published with permission of Mrs B.C.Boeke

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 Last revising: 01/06/11

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