HEIDEGGER
Nur noch ein (neuer)
Gott kann uns retten....
Philosophen werden selten Ernst
genommen. Im besten Fall sind sie eine Art Kultfigur, womit man/frau sichselber ziert.
Martin Heidegger war da keine Ausnahme. Man feiert ihn weil man/frau der Welt zeigen will
wie intelligent man/frau selber ist. Denn Heidegger "ist nicht leicht zu
verstehen"... Kopflastigkeit zieht sich also gegenseitig an. Dasselbe geschah mit
Thomas von Aquino. Die ganze Scholastik wurde von seinen Jüngern ausgebaut. Keiner der
Notiz nahm von Thomas' letzten Worten. Auf seinem Sterbebett hat er unerwartet eine
Gotteserfahrung ("Erleuchtung") bekommen. Sofort danach rief er aus: "Im
Vergleich zu dies ist meine ganze Arbeit nur Müll. Schmeißt alles weg". Niemand der
das tat, versteht sich.
Mit Martin Heidegger hätte etwas
Ähnliches geschehen können. Er hatte sein ganzes Leben das Unmögliche versucht: sich
das Sein zu denken. Letztendlich - und das ist (sein formidabeles Ego in Betracht gezogen)
seine wirkliche Größe - hat er sein Versagen zugegeben: "nur noch ein Gott
kann uns retten". Für ihn ein formidabler Schritt. Denn zum ersten
Mal sprach er nicht in Kategorien seines philosophischen Systems. Wie üblich hat ihm
niemand Ernst genommen. Dies unser Versagen ist dagegen katastrophal. Denn die Existenz
der ganzen Menschheit steht auf dem Spiel. Alles weist daraufhin, daß nur
"übermenschliche" Anstrengung uns noch retten kann. Um die Dinge endgültig zu
klären, hat mein Ich ein Interview mit meinem Wahren Selbst (das Sein...).
Q. Hannah Arendt, die lebenslängliche Liebhaberin und
PartnerIn hatte mal gesagt: "Heidegger, denkt nicht über etwas, er denkt
etwas". Wie soll ich das verstehen?
A. Ein gutes Beispiel wie das Denken, das doch Einsicht
bringen soll, die Dinge weiterhin verschleiert. Denn es wird hier suggeriert, daß
Heidegger ein sehr besonderes Denken hat. Die Bemerkung ist jedoch nicht verwurzelt in der
unterliegenden spirituell-psychologischen Realität. Ein Bißchen Nachhilfe kann das
klären. Es gibt zwei Arten von Denken. Einerseits das Denken was ohne eigenes Zutun in
den Geist erscheint und andererseits die Reflektion darauf.
Q. Was ist der Unterschied?
A. Das Erste könnte man spontanes oder vitales Denken
nennen, das Zweite kommt aus dem Ich, als die Instanz die sich mit dem Selbstbild
identifiziert ("Persönlichkeit"), kommentariiert, urteilt, Einsicht zu gewinnen
versucht, abstrakt, logisch, zweckmäßig denkt und eng mit Lern- bzw Sprachzentren im
Gehirn verbunden ist.
Q. Ist dieser Unterschied wichtig?
A. Der Vorteil des Ersteren: alles Denken kommt aus dem
Lebenspol, dem Selbst. Es könnte einem Intuitionen bescheren, die sonst - wegen der
Kontrollfunktion des Ego's - nicht möglich sind. Es ist das Denken das eigen ist an
Kindern, vielen Frauen und denjenigen Männern die spontan sind bzw Talente in dieser
Richtung haben..... Mit dem Sein hat es allerdings (noch) wenig zu tun.
Q. Was mit dem rationalen Denken?
A. Selbstverständlich unentbehrlich. Das
Problem: dieses Denken hat alles andere überwuchert. Es ist ein Tyrann geworden. Sogar
diejenigen die es befürworten, haben sich darin verstrickt. Viel gehörte Aussage:
"ich werde verrückt von meinem Denken". Philosophen haben das ganze Leben
gedacht und schließlich nur erreicht, daß "es noch eine ganze Menge zu Denken
gibt". Sie sind nirgendwo angekommen. Die Lösung: das logische Denken soll wieder
den Platz einnehmen, wofür es "geschaffen" worden ist.
Q. Gibt es dann noch eine dritte Weise: das
Denken aus dem Sein?
A. Allerdings. Die Voraussetzung ist jedoch, daß
man/fau das Sein erstmal IST.
Q. Erklärt das nicht Heidegger's
lebenslängliche Ringen mit dem Sein, die Tatsache das er das Sein als Lebende
Wirklichkeit nie realisiert hat?
A. So sieht es aus. Die Falle der Philosophen ist das
Primat des Denkens. Sie denken....daß das Denken unsere Essenz ausmacht. Deswegen konnte
Heidegger Hoffnung haben, daß - wenn er nur "tief" genug dachte - er wohl auf
die Wahrheit stoßen würde. Er hat sich dagegen sein ganzes Leben mit dem Sein befaßt,
ohne es "zu Ende zu Sein". Denken bringt einem kein Millimeter näher zum Sein.
Die positive Seite: Heidegger hat seinen Kampf heroisch bis zum Ende geführt. Die oben
genannte Unmöglichkeit hat zuletzt ein Bißchen Demut in seinem Leben gebracht. Das Sein,
so könnte man sagen, hatte ihn auf die Knien gezwungen.
Q. Ich denke, also bin ich....
A. Soll verwandelt werden in "ich denke, also bin
ich NICHT". Denken und Sein sind zwei grundsätzlich verschiedene Dimensionen.
Tatsächlich denken die Gedanken mich. In Holländisch sagen wir: "ich bin IN
Gedanken". Ist man/frau dagegen im Sein, dann (in der höchsten Stufe) is das Denken
total verschwunden.
Q. Und wenn man/frau sich irgendwie
"dazwischen" "aufhält?".
A. Dann ist man/frau der Beobachter seines Denkens. Ich
bin "hier" und die Gedanken sind "dort", vor mir. Es gibt eine innere
Distanz zwischen mir (der Beobachter, Vorstufe des vollen Seins) und alles was in mir
"hoch"kommt. Schlußfolgerung: "ich bin meine Gedanken nicht".
Man/frau steht seinem Denken frei gegenüber und umgekehrt.
Q. "Die Gedanken sind frei"
A. Nicht nur die Gedanken, sondern auch Ich - der
Beobachter - bin frei. Er beobachtet den Fluß, läßt alles Irrelevante (den
"Müll") vorübergehen ("absterben") und identifiziert sich - jetzt
von der inneren Freiheit, und nicht aus seinen Konditionierungen heraus - nur mit etwas
was einem wichtig ist. So sorgt man/frau, daß das Denken sich nicht anhäuft bzw einem
letztendlich überflutet.....
Q. Also das übliche Denken, auch des Philosophen, ist
oft ein Denkzwang
A. Man nähert sich dem Denken mit seinem Denken. Aus
diesem Kreis kommt auch der (die) PhilosophIn nicht raus. Im täglichen Leben ist
Denken ein Ersatz für die Abwesenheit des Seins. Der "Schöpfer" wußte schon
im voraus, daß nicht jeder die Erleuchtung verwirklichen würde (Witz)..... Prinzipiell
ist das Sein die Essenz und das Denken (s)eine Funktion....
Q. Das werden viele wohl nicht akzeptieren können
A. Ein Zeichen davon, daß sowohl das Denken als der
Denker - indem Letzterer zum Beobachter wird - sich von einander "losgelöst haben,
ist die Leichtigkeit des Seins.
Q. Leichtigkeit?
A. Kriterium für das Sein ist, daß man/frau nicht
durch die Schwere der Gedanken mitgerissen wird. Übertragung von Einsichten ist
immer ursprünglich, erleuchtend, "tief", befreiend, aufhebend, erneuernd,
(selbst)"relativierend", "spielerisch", humorvoll.....
Q. Ende des Prozesses?
A. Wenn das Sein sich erweitert, findet Folgendes
statt: Denken wird Inhalt des unbegrenzten "inneren" Raumes. Die Gedanken
schwimmen wie Fische im Aquarium, das Ich Bin. Die Gedanken sind in Mir ohne das sie Macht
über Mich haben. Nicht die Gedanken sondern Ich - bewußt, leer, klar, transparent,
unbeweglich, sichSelbst genug, inklusiv, freudvoll - bin souverän.
Q. Wird das das Volle Sein genannt?
A. Jemand hat gesagt "Ich Bin der Ich Bin".
Statt der Einzige (Gottes Einziggeborene Sohn") zu sein, kann in Prinzip jeder es
"erreichen", denn es ist uns aller Wahre Natur.
Q. Habe ich mit meiner Reflektion auch nicht eine
innere Distanz zu meinem Denken? Ich kan ja sagen: "ich denke nach über meine
Gedanken"
A. Die Reflektion ist die Anhäufung von allem
was ich in der Vergangenheit gedacht habe. Und das denkt nach über neue Gedanken. Es ist
das konditionierte Ich das denkt. Mit der Folge, daß mein Denken nie frei ist von meiner
Vergangenheit. Die neue Gedanke wird also immer mit alten Konditionierungen vermischt.
Q. Also?
A. Unbevorurteilte Durchsicht ist nicht möglich.
Das Neue haftet immer irgendwie an das Alte. Und weil hauptsächlich unbewußte Inhalte
sich projizieren, sind wir uns davon nicht bewußt. Bei dem inneren Beobachter - Vorposten
des Seins, der entsteht wenn wir im Geiste "einen Schritt zurück machen" - ist
das grundsätzlich anders. Da herrscht ein klares Bewußtsein, ungetrübt, transparent,
unabhängig, eine andere Ebene eben.
Q. Es gibt also zwei Zentren der Persönlichkeit,
die sich beide "Ich" nennen.
A. Richtig. Einerseits das konditionierte Alltägliche
- im Leben entstanden durch Identifikation mit dem Selbstbild - und andererseits das was
"wirklich IST", der "göttliche Funke" in uns (Meister Eckhart), auch
das Wahre Selbst (Sein!) genannt.
Q. Kernfrage: gibt es eine Seinsphilosophie?
A. Eine Philosophie die direkt aus dem Sein
heraus kommt. Ja, die gibt es. Wie gesagt ist die Bedingung daß man/frau das Sein IST.
Wenn man/frau ES nicht IST, kann auch nichts rauskommen. Es setzt also eine Erleuchtung
voraus.
Q. Nur das Sein selber kann etwas über Sich aussagen.
A. So ist es. In der Praxis läßt man/frau alles
Denken ("horizontal") vorüberziehen, bis ein "Loch"
("vertikal") entsteht. Durch Entspannung und "inneres Zurücktreten"
erweitert sich diesen Moment. Man/frau tritt in Kontakt mit der inneren Leere. Spontan
oder auch durch Übung verfestigt sich die Tiefe. Bis man/frau das Nichts IST. Ist diese
Leere total, dann wird es bloß Stille geben. "Möchte das Sein Sich mitteilen
wollen" kommen Worte hoch. Diese Worte kommen aus einer anderen Dimension, direkt,
unverformt, spontan. Das heißt, nicht aus einer vorangegangenen Gedanke.
Q. Trotz seines Bemühens dem Letzteren ranzukommen,
hat er (Heidegger) gravierende Fehler gemacht.
A. Erst mal etwas über seine Vergangenheit. Wenn man
weiß wovon er kam, wie er schon früh mit den Ideen der "konservativen
Revolution" verwachsen war, hat man/frau eine Ahnung davon, wie sehr er schon früh
"konditioniert" war.
Q. Ist das eine Entschuldigung?
A. Zugleich war er sehr eigensinnig. Das erweist
sich aus der Tatsache, daß er immer geglaubt hatte das NS Regime nach seinem Willen
umformen zu können, was zu Folge hatte, daß er sich auf verschiedenen Momenten auch
gewehrt hat. Das spricht für ihn. Es ist womöglich auch eine Erklärung dafür, daß er
sich nie für die Endlösung entschuldigt hat. Denn das war ja nicht SEINE Politik. Er
betrachtete sich nicht als Teil der bestehenden Ordnung, verstand sichselber dagegen als
einer der diese Ordnung revolutionären wollte.
Q. Spricht das ihn frei?
A. Völlig klar, für die Judenverfolgung hatte er
MitSchuld bekennen müssen.
Q. Was macht ihn denn trotzdem wichtig. Hat er unserer
Zeit wirklich was zu sagen?
A. Erstmal können wir eine ganze Menge lernen von
seinem Versagen bzw der Tatsache, daß mann/frau mit dem Denken das Sein nicht
"entschlüßeln" kann. Das kann nicht nur auf die Philosophie angewandt werden,
sondern auch auf die Religion. Im Christentum ist ja auch alles zu bloßen Worten
reduziert. Gott ist jedoch eine ganz andere Dimension. Das erklärt weshalb die Christen
(wie die Philosophen...) immer auf dem Wege sind.... und nie ankommen. Umgekehrt: im
Spiegelgespräch mit Heidegger wurde es schon angerührt: "vielleicht daß der Weg
des Frommen eine Öffnung geben könnte". Der Fromme bzw der Mystiker denkt sich
nicht das Sein, sondern versucht mit ihm Eins zu werden...
Q. Seltsam eigentlich, daß Heidegger, der doch
auch einen religiösen Hintergrund hatte, das nicht eher auf der Spur gekommen war.
A. Eingebunden-sein in einem System ist die
Erklärung. In jeder gegebenen Situation gibt es soviele persönliche Interessen, daß es
schwierig ist zu allen Zeiten aufmerksam zu bleiben.
Q. Könnte das noch vertieft werden?
A. Ein Philosoph ist der Letzte der anerkennt, daß das
Denken nur eine Funktion ist und nicht der Meister im Hause. Die "Allmacht des
Denkens" ist jedoch eine Illusion. Das beweisen schon einfache Tatsachen aus dem
täglichen Leben. zB steht in der Zeitung: "Ohne auch nur ein Moment nachzudenken,
sprang er ins Wasser und rettete das Kind". Was wäre gewesen, wenn er sich erstmal
ein Paar Minuten überlegt hätte? Genau, das Kind wäre ertrunken gewesen. Aber es ist
mehr dran. Die Aktion des Mannes ist außerordentlich effektiv: "ohne zu denken,
wußte ich genau was zu tun".
Q. Es gibt also ein Wissen jenseits des Denkens.
A. Diese Einsicht hätte bei Heidegger den Übergang
zur Spiritualität verfrühen können. Denn nicht aus leuchtender Erfahrung, sondern aus
Ergebung mußte er eingestehen, daß "die Philosophie zu Ende ist".
Q. Jemand der lange gereist ist, jedoch das gelobte
Land nie sah...
A. Ja, obwohl er das "Stirb und Werde"
von J.W. Goethe sicherlich kannte, und zweiffellos Nietzsches "Ewiger
Wiederkehr" bejahte, ohne es übrigens durchschauen zu können.... blieb alles im
kognitiven Bereich. Auch das "Ewig-Weibliche" und "Geh zu den
Müttern" hat er - obwohl die Ultime Befreiung für eine faustische Figur wie er
(....) - schon garnicht Ernst genommen. Letztendlich hat auch in ihm das lineare Weltbild
dominiert, angefeuert vom ehrgeizigen Ego das darauf zielt etwas Großes zu erreichen. Er
hat einfach sein Ego nicht auf dem Altar einer neuen Einsicht opfern wollen. Der (Die)
wahre MystikerIn dagegen, lebt ständig das "Stirb und Werde". Er (sie) sieht
oder wird! das Göttliche. Der Preis den man/frau bezahlen muß, ist jedoch das Aufgeben
einer weltlichen Karriere.
Q. Er wollte über alles an seinem System
festhalten. Ist das der Grund weil er Nietzsches "Wiederkunft" nicht verstand?
A. Gewiß. Denn sein Paradigma war das Sein als das
Letztendliche. Daß es jenseits des Seins "noch etwas gibt", das ist nie
Gegenstand seines Denkens gewesen. Nietzsche hatte es jedoch vermutet. Deswegen spricht er
vom "Wiederkehr des GLEICHEN, also des Seins" Etwas kann nur
"wiederkehren" wenn es erst "weggewesen" ist. Die einzige Dimension in
der das Sein verschwinden kann, ist das Nicht-Sein,
Q. Wie ironisch! Heidegger wurden schon wegen des
Seins als Nihilist beschimpft.....
A. Ja, es berührt das größte Tabu im
abendländischen Denken seit Aristoteles. "Horror Vacui" bedeutet im Westen das
Absolute Nichts, die Negation alles Daseins schlechthin. Nur die Mystik hat es gewagt
davon zu sprechen (Dionysos der Areopagit, Meister Eckhart, Johannes vom Kreuz).
Q. Das war auch für Heidegger so?
A. Für ihn war das Nichts einfach das Ende. Damit
verkennt er jede Möglichkeit zu Erneuerung und Regeneration. Denn das Sein wird ständig
aus dem Nichts wiedergeboren.* Er hat dagegen das Nichts (die Angst!) als ein Motor
für den Machtswillen des Ego's ausgenutzt, statt sein Ego in das Nichts sterben zu
lassen.... um danach ins Sein wiedergeboren werden zu können......
* Weil alles sich im Zeitlosen befindet,
spielt sich "Stirb und Werde" "zu gleicher Zeit ab". Im selben Moment
wo etwas verschwindet, wird wieder etwas Neues geboren. Es ist als ist nichts geschehen.
Deswegen wird das Sein immer als "Unbeweglich" bzw "Absolut"
vorgestellt
PS. Es scheint als habe Martin Heidegger ein Paar Tage
vor seinem Tod eine Ahnung vom "eckhartischen" Nichts gehabt.... auch sollte
alles "zum Düster" zurückkehren... (R.Safranski). Außerdem soll er mal an
Sartre geschrieben haben: "wie abgründig im wesenhaften Nichts der Reichtum des
Seins sich verbirgt". Dies stimmt überein mit dem "Juwel im Lotus" des
Buddhismus....
Q. Hat Hannah Arendt mit ihrer
"Geburtlichkeit" noch dazu beitragen können, daß sein lineares Denken sich
umlenkte?
A. Sicherlich wurde seine Fixierung auf den Tod dadurch
gemildert, jedoch zeigt sich hier aufs Neue die Schwäche der Philosophie, nämlich das
alles zu Begriffen reduziert wird. Sie bleiben als getrennte Kategorien einander
gegenüberstehen. Anders ist es beim "Erfahrungsdenken" des J.W. Goethe, der
begriff, daß "Stirb und Werde" der dynamische zyklische! Prozeß des Lebens
schlechthin ist, das außerdem aus einem gemeinsamen Ursprung stammt.
Q. Das Denken dagegen braucht also zwangsmäßig eine
Identifikation, sonst ist man/frau erledigt!
A. Und zeigt damit zu gleicher Zeit seine Grenzen., Die
Tatsache, daß man/frau das Nichts nicht denken kann, heißt nicht daß es nicht (nicht)
existiert. So hat das Denken uns daran gehindert wirklich in die tiefste Tiefe herunter zu
steigen. Wie es der Buddhismus dagegen schon getan hat.
Q. Was hätte es uns gebracht, wenn wir ins
Jenseits hinabgestiegen wären?
A. Das Befreiende kommt wie gesagt von J.W. von
Goethe. Sein "Stirb und Werde" ging Nietzsche's "Wiederkunft" voraus.
Goethe war jedoch nicht nur ein Denker, sondern auch ein Dichter. In Augenblicken von
tiefer Intuition schaute er das Ultime. Er nannte es das "Ewig-Weibliche".
Q. Schließt sich damit der Kreis?
A. Das Sein, das Göttliche, wird aus dem
(Absoluten) Nichts geboren, während es ständig in den Ursprung zurückkehrt. "Das
Licht kommt aus der Dunkelheit". Die Dunkelheit wird seit archaischen Zeiten die
"Kosmische Gebärmutter" genannt.
Q. Heidegger's Problem war also, daß er nicht
akzeptieren konnte, daß im Sein das Denken aufhört...
A. ......und im Nichts das Sein verschwindet! Und
dadurch seine Karriere wohl vergessen konnte. Es ist jedoch fraglich, ob er sich dieser
Wahl je gestellt sah. Es ist ein Triumph des Seins, und zugleich eine Bestätigung seiner
Erhabenheit, daß er - Heidegger - am Sein gescheitert ist. Nicht er, sondern das Sein hat
"gesiegt". Es ist ein indirekte Bestätigung seiner eigenen Theorie.
Q. Ein tragischer Held?
A. Ist es nicht unendlich schön, daß er sich im
allerletzten Moment sein "System" hinter sich lassen konnte, indem er sich noch
einen Ausweg erträumt hat: das des "nur noch ein Gott kann uns retten?".
"Ein" Gott heißt, daß er damit weder den christlichen, noch einen anderen
existierenden Gott gemeint hat, sondern einen Unbekannten, einen Neuen. Dadurch hat seine
ganze Arbeit doch noch eine universelle Bedeutung bekommen.
Q. Wo knüpfen Sie an?
A. Wo die drei größten Deutschen aufhörten,
war es mir vergönnt weiterzumachen. Heideggers neuer Gott ist das Nichts jenseits des
Seins, der "Gott" jenseits aller bestehenden Götter, das "Kosmische
Faß" das Nietzsches' Ewigen Wiederkehr erst ermöglicht, die Urmutter des Alls,
sowie Goethe es geschaut hat. Nur das Absolute Nichts kann das heutige aufgeblähte Ego
vernichten, es ist damit das Einzige das uns noch retten kann....
Sieh auch: "Um die Welt", "Die
Schwarze Madonnen", "Die Große Nacht", "Der Ultime Entwurf" und
viele andere
Q. Was Heidegger letztendlich auch einsah....
Aber, wieviele gibt es die ihm darin nachgefolgt sind?
A. Ja, ich befinde mich in guter Gesellschaft.
Ein Grund sehr dankbar zu sein. Andererseits, sind nicht viele versklavt am Ego, und
so ständig den wahren Sinn des Lebens vergessend?
Q. "Selbstvergessenheit" war bei Heidegger
ein zentrales Thema
A. Man kann besser keine Überzeugungen um das Sein
hegen, als in der Illusion leben, daß man/frau es näher gekommen ist, wie das beim
Martin Heidegger der Fall war. Denn eine richtige souveräne Freiheit hat Letzterer nie
gefunden.
Q. Denn...
A. Man kann wie Heidegger das Sein als das Wesen
des Menschen betrachten, aber wenn man seine Wirklichkeit nicht realisiert - ES nicht IST
- bleibt dieses Wesen auch wieder eine Denkkategorie.....
Q. Wie soll man/frau das Sein denn sonst
erreichen?
A. Er hat aus einem Versagen einen Kult gemacht:
"Da eben wo die Antwort fehlt, stellen sich zur rechten Zeit Fragen ein". Es
sind die dominante Rituale bis zum heutigen Tag. Antworten haben ist ein Tabu, denn jeder
soll seine/ihre eigene Antworten finden..... die dann alle auch noch gleichbewertet werden
müssen bzw jeder ist gleich "smart" bzw "verkauft sich nicht für
dumm". Wenn man/frau sich jedoch nur mit Fragen identifiziert, gibt es kein Raum für
Antworten! Die ganze Idee, daß es Menschen gibt die einem vorangegangen sind und Weisheit
verkörpern ist non-existent. Einem etwas vorleben hat keinen Sinn mehr, denn das wird
einfach nicht mehr gewürdigt....
Q. Ende der menschlichen "Evolution?"
A. Seinsübertragung findet dann statt, wenn es
Resonanz gibt zwischen demjenigen der ES besitzt (IST), und demjenigen der danach
verlangt, ein MeisterIn-SchülerIn Übertragung also. Die philosophische Fakultäten
könnten zu diesem Zweck vielleicht in Orten für Seinstraining umgewandelt werden......
Ob das wohl passieren wird? Es ist sicherlich eine Utopie.
Q. Was zu sagen vom Begriff "Entwurzelung?"
A. Heidegger hat "das Wohnen" zu einer seinen
Lieblingsthemen gemacht. Das war durchaus "materiell" gemeint bzw hat dabei
seine schwäbische Heimat vor Augen gehabt. Daneben und darüberhinaus ist auch das Sein
als spirituelle Heimat aufzufassen. "Seinsvergessenheit" ist dadurch die
extremste Form der Entwurzelung. Das Sein ist heutzutage total von der "virtuellen
Welt" verdrängt worden, etwas was Heidegger vorausgesehen hat und zwar in seinem
ganzen Außmaß. Untergang des Seins also. Sehen wir uns J.Goebbels vor Augen: "Wollt
ihr die totale Verblödung?" JAAAA.
Q. Sind wir noch zu retten?
A. Das tägliche Leben zeigt alle Symptome eines
Verfalls. So gesehen bedeutet das nicht nur "das Ende der Philosophie", sondern
auch das Ende der Möglichkeit das Sein (aus eigener Kraft) zu realisieren. Stress,
Depression, Sorgen, Probleme, Krisen, Burn-Out und Krankheit breiten sich überall aus,
eine richtige Seuche. Das Leben hat kaum noch Momente die Regeneration bewerkstelligen
können. Sogar für die Aktivitäten die Seinswiederherstellung versprechen - "mach
mal eine halbe Stunde Yoga pro Tag" - gibt es keine Zeit oder Energie mehr. Wir
geraten im Eilschritt in einen Strudel der Entropie.
Q. Das muß auch für Heidegger ein ziemlich
hoffnungsloses Gefühl gewesen sein.
A. Und letztendlich auch ein befreiendes! Denn in
solchen Momenten steigert sich die Hoffnungslosigkeit bis ins Unerträgliche mit dem für
Heidegger ganz einzigartigen Ausruf.
Q. Die Rettung muß(te) also letztendlich
"von außen" kommen...
A. Richtig. Statt wie üblich Zuflucht in seinem Denken
zu suchen, konnte er es aus der Hand geben. Und heutzutage können wir genauso sagen, daß
aus eigener Kraft das Sein nicht mehr zu verwirklichen ist. Der Verfall des Buddhismus
spricht Bände. Die Erleuchtung - die Ultime Befreiung - ist zu Ware degeneriert, etwas zu
haben. Alles ist zu Ego-trip geworden.
Q. Die alte Lösungen sind endgültig wertlos geworden?
A. Die es schaffen, sollten die Seinsverwirklichung
erstreben. Alle andere sind auf Hilfe von "außen" angewiesen. Es erweist sich,
daß nur noch die Kosmische Leere das Ego auflösen kann. Das was man/frau früher die
"Große Mutter" nannte. Alles - sowohl "Gott" als das Universum -
stirbt in Ihrem "Schoß" und wird ständig aufs Neue geboren.
Q. Warum fehlte es ihm an Selbstkritik?
A. Ganz einfach. Weil er wußte, daß er versagt hatte.
Das wollte er nicht noch einmal vor der Öffentlichkeit eingestehen. Starke Männer haben
oft ein verwundbares Herz....
Q. Sie haben wohl sehr viel Verständnis für ihn!
A. Ja, trotz der Tatsache, daß es ihm außerdem an
Mitgefühl, wohl die wertvollste menschliche Eigenschaft, reichlich fehlte. Er wollte nun
einmal "perfekt" sein. Deswegen hatte er zuletzt der Menschheit nicht mehr viel
zu geben vermocht. Hat man/frau Mitgefühl, dann kommt man/frau von seinem Thron runter
und hätte etwas ermutigendes gesagt. Die Identifikation mit seinem "System" bzw
seinem Ruf ließen das jedoch nicht zu.
Q. Hatte er letztendlich auch nicht Gedanken in
Richtung "Besorgnis" gehabt?
A. Erstens "Denken über" ist nicht
gleich der Sache selbst. Zweitens kommt authentische Sorge aus dem Sein, nicht aus dem
Denken. Das ist jedoch nie eine überzeugende These von ihm gewesen.
Q. Also das Sein selbst ist gleich
"in-der-Welt-sein?"
A. Man/frau kann es nur von der Praxis heraus
beschreiben. Erst "zieht man/frau sich innerlich zurück", wodurch man/frau von
der Dominanz des Denkens befreit wird. Der Beobachter ist geboren. Das gibt einem das
Gefühl der "Eigenständigkeit". Wenn es dabei bleibt, ist "Sein"
nichts anderes als das Wesen der Individualität.
Q. Womit Heidegger im Gegensatz zu Hannah Arendt
sich zufrieden gab.
A. Für Heidegger war die Öffentlichkeit das Schlechte
schlechthin: eine ganz und gar bliblische Vorstellung. Wie die Christen ändert sich das
schlagartig, wenn sie an die Macht gelangen. Dann versuchen sie der (schlechten) Welt -
die "gerettet werden muß" - ihre Wahrheit aufzuzwingen. Bei der Erweiterung des
Seins fallen diese Art von Obsessionen jedoch weg.
Q. Das hatte Heidegger's Leben schon ein Bißchen
erleichtern können.....
A. Klar. Es setzt voraus, daß man/frau um die
praktische Verwirklichung des Seins weiß. Und das wissen wir wiederum erst nachdem der
Buddhismus hier Fuß gefaßt hatte. Kurz formuliert: das Sein ist von Ewigkeit da, aber
wir müssen es zulassen, derartig, daß es in uns inkarnieren kann. Sich öffnen
(Heidegger) ist dann oft nicht genug. Die meisten von uns brauchen zusätzlich Übung.
Q. Jetzt wird es spannend.
A. Die Übungen selber möchte ich Dir ersparen, denn
das kan man überall nachlesen. Warum es geht ist, daß - mit Hilfe von Körperbewußtsein
- das Sein sich erweitern kann. Wie oben gesagt, umfaßt es zB die "eigenen"
Gedanken. Wenn der Prozeß weitergeht, übersteigt das (reine) Bewußtsein (nicht die
Gedanken!) den Körper. Noch etwas später füllt es das ganze Zimmer. Man/frau erfährt,
daß jetzt auch der Stuhl, der Teppich, der Tisch, die Vase und die Blumen Inhalt! Deines
"inneren" Raumes geworden sind. Und alles was Teil Deines Selbstes ist,
"liebt man/frau wie sichselber".*
* In Wirklichkeit gibt es in dieser Zustand
keine getrennte Identität, kein Selbst mehr.
Q. Ist das die Geburt des wahren Mitgefühls?
A. Du sagst es. Zuletzt wird das Sein wie es seinem
Wesen nach IST: inklusiv. Letztendlich umfaß es die ganze Welt, ja, das ganze Universum.
Man/frau kann es noch am besten mit mütterlicher Liebe vergleichen. Davon hatte Heidegger
im günstigsten Fall bloß eine Vorahnung gehabt. Oder besser formuliert: Das überaus
Tragische ist, daß er die Liebesqualität des Seins nie gekannt hat.
Q. Das es ihn vielleicht deswegen fasziniert hat, zeugt
doch seine Zuwendung zu Hölderin.
A. Ganz bestimmt. Sätze wie "Eines zu sein mit
allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen" (Hölderin,
Hyperion). Es ist anzunehmen, daß Hölderin das "unendlich göttliche Sein"
tatsächlich verwirklicht hat, also jenseits allen Denkens. Vielleicht war Martin
Heideggers' Verlangen nach diesem Einssein (viel) stärker als wir vermuten können.
Q. Also zuletzt?
A. Ich würde sagen, gönnen wir ihm seinen
Heldenstatus. Die Intensität womit er sein Leben gelebt hat, kann speziell heute für
viele ein Beispiel sein. Und weshalb sollten wir auch nicht manche seiner praktischen
Ratschlägen befolgen? zB. haben "Wissen, Arbeiten und Widerstand leisten" noch
nichts an Aktualität eingebüßt.
Q. Vielen Dank für dieses Interview.
A. Du und ich, wir sind eins!
Han Marie Stiekema
Neuer WeisheitsLehrer, "Grüner Mann"
und (ganzheitlicher) Arzt
(seit 1972) aus Holland
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