1. Historische Abhandlung über
den geistigen Bankrott der westlichen Kultur und die Rolle der patriarchalischen Religion
(Christentum) darin. Um die wahre Art der Krise ergründen zu können, müssen die Wurzeln
der aus dem Ruder gelaufenen Situation offengelegt werden. Nur wenn wir die richtigen
Fragen stellen, bekommen wir richtige Antworten. Es wird keine schmerzfreie Operation
sein. Da wir mit dem Rücken zur Wand stehen, bleibt uns keine andere Wahl übrig. Die
hier folgende Kritik gilt nur dem System. Sie ist in keinerlei Weise auf Personen oder
Gruppen gerichtet, die sich aus christlicher Inspiration einsetzen für den Mitmenschen.
Niemand braucht sich persönlich angegriffen zu fühlen. Im Gegenteil. Durch Einsicht in
unser gemeinsames Leiden - die Entfremdung von unseren existentiellen Wurzeln - von sowohl
Christen als auch Nichtchristen, wird das wechselseitige Verständnis wachsen. In dieser
Zeit werden wir einander brauchen und niemanden ausklammern. Einführung
2. Jede Ideologie schreibt seine eigene Geschichte.
Solange wir an "Fortschritt" glaubten, haben wir uns jahrhundertelang die
optimistische Geschichte unserer westlichen Überlegenheit vorgehalten. Die Geschichte
diente als Bestätigung des Imagos, das wir von uns selber hatten. So war die christliche
Botschaft eine "der Liebe", die Renaissance "das Aufblühen des befreiten
Ichs", die Aufklärung der "Triumph der Vernunft", sowie das industrielle
Zeitalter "Wohlfahrt für jeden" brachte und die postmoderne Zeit das
"Jahrhundert der Kommunikation" ist. Mehr tiefsinnige Denker betrachteten die
Geschichte als "Evolution des Bewußtseins", ein Trend der heutzutage noch
reißenden Absatz findet. Dabei sollte die Geschichte der Menschheit gesetzmäßig sich in
Richtung eines "kosmischen Bewußtseins" bewegen. Ein Endzustand worin alles
"gut kommt". Alles hing (hängt) dabei vom Fortschrittsgefühl ab. Das Gefühl,
daß wir ständig "unterwegs" sind zu etwas Besserem: materiell, psychologisch
oder spirituell.
3. In den letzten Jahrzehnten ist dieses Gefühl
jedoch schnell abgebröckelt. Statt dessen kam das Gefühl des Unbehagens. Während alles
augenscheinlich noch "glatt" verlief, beschlich uns in zunehmendem Maße das
Gefühl, daß "etwas nicht stimmte". Und wer heutzutage noch aufrechterhalten
möchte, daß nichts los mit der Welt ist, wird von den meisten von uns doch schon bald
mitfühlend angeschaut. Die Zukunft mit seinen immensen Problemen sieht ja nicht mehr so
sonnig aus. Unser Lebensgefühl ist in erstaunlich kurzer Zeit völlig umgeschlagen. Die
Geschwindigkeit mit der das geschah, hat jede Orientierung unmöglich gemacht. Wir haben
nirgendwo einen Halt mehr. Der Rahmen, von dem wir uns selber und die Welt als sinnvoll
erfuhren, ist völlig weggefallen. Und mit ihm die alten Interpretationen der
Vergangenheit, der Geschichte. Diese haben ihre Bedeutung verloren: wir können nichts
mehr damit anfangen. Und damit stellt sich die Frage nach einer neuen Deutung und
Sinngebung.
4. Die kardinale Frage ist natürlich, wie es zu
einer so großen Zerrüttung kommen konnte. Alles schien doch gut zu gehen. Wie keine
andere Kultur hat der Westen seine individuelle Freiheit erkämpft und bekommen, es gibt
Wohlstand für "jedermann", es gibt ständig neue und spektakuläre
Erfolge auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technologie, wir werden immer älter und
unsere Demokratie ist das Beispiel für die ganze Welt geworden. Die Interpretation
unserer Geschichte gab uns dabei alle Unterstützung. Mit Bestürzung schauen wir jedoch
die Wirklichkeit an: die individuelle Freiheit, die als sinnlose Leere immer mehr zum
Alptraum wird; der Wohlstand, der mit großer Geschwindigkeit die Kluft zwischen arm und
reich vergrößert; die Technologie die uns zum (Konsum)Sklaven gemacht hat; die
massenhafte Abneigung von der modernen Medizin und das "ideale" Modell der
Demokratie, woran niemand mehr Interesse hat. Die rezenten Ereignisse geben alle den
Eindruck eines Wendepunktes. Plötzlich schlägt alles augenscheinlich ins Gegenteil um.
Wenn wir dies annehmen, und dafür gibt es allen Grund, dann muß es schon lange vorher
Entwicklungen gegeben haben, die hierher geführt haben und die wir - verblendet durch
unsere offiziellen Interpretationen und Schlußfolgerungen - nie bemerkt haben.
5. Es gibt zum Beispiel Paralellen mit den
Naturwissenschaften, den Gesundheitswissenschaften, der Ökologie und den
Sozialwissenschaften. Einem auf den ersten Blick stabilen Molekül wird, ohne das es
bemerkt wird und über längere Zeit, soviel Energie zugeführt, oder ihm wird
Energie entzogen daß es plötzlich einen Quantensprung macht und in ein völlig
anderes Molekül verändert. Während einer (jahrelangen) symptomarmen Phase
"kein Problem, ich fühle mich pudelwohl" häufen sich die Abfall- und
Giftstoffe unbemerkt im Körper an, bis ein Grenzwert erreicht wird. Dann ist ein bißchen
(Grippe, Völlerei, Streß) schon genug, um "plötzlich" einen Herzinfarkt oder
die ersten Rheumaanfälle zu bekommen. Ein Wald sieht auf den ersten Blick (noch) gesund
aus. Die bereits jahrelange Einwirkung von Austrocknung und Mineralstoffstörungen des
Bodens und die Luftverunreinigung bleiben jedoch längere Zeit unsichtbar. Bis das
gleichwohl ein kritischer Grenzwert erreicht wird und alles in kurzer Zeit in sein
Gegenteil umschlägt. Die Bäume, die gestern noch "vor Gesundheit strotzten",
scheinen nun plötzlich todkrank zu sein.
Schlußfolgerung: bei einem kritischen Grenzwert,
welcher oft unbemerkt bleibt, schlagen Geschehnisse oft in ihr Gegenteil um. Dies gilt
ebenso für soziale Prozesse und Interaktionen. Jahrelang wird eine politische Richtung
allein durch eine kleine Gruppe aktiv propagiert, ohne daß sie deutlich erkennbar einen
Zugang zur Masse bekommt. Dann "aus unerklärlichen Gründen" nach dem
Überschreiten eines kritischen Grenzwertes, wird diese plötzlich das Gemeingut von
allen. Was die vier Beispiele gemeinsam haben, ist dies: Wenn wir eher Zugriff auf die
unterliegenden Prozesse und Entwicklungen gehabt hätten, wäre es vielleicht möglich
gewesen, in ein paar der Fälle beizusteuern oder das Ruder zu kehren. Dazu ist das
Verstehen dieser Prozesse allerdings Bedingung. Die radikal neue Interpretation unserer
Geschichte dient dem selben Ziel: eine Hilfe beim Ausweg aus der heutigen Weltkrise.
6. Wenn es "auf einmal" nicht mehr so
rosarot aussieht, und das auf einer so umfangreichen Ausmaß, dann muß dies doch irgendwo
im Keim schon gesät gewesen sein. Welche sind die entscheidende Momente gewesen? Welche
sind die Gesetzmäßigkeiten, die hierfür die Basis bilden? Welche Entwicklungen haben
dazu beigetragen, und wie können wir diese interpretieren? Ausgehend von der heutigen
Zerrüttung, die wohl durch niemanden angezweifelt wird und damit als Tatsache angesehen
werden darf, versuche ich die Geschichte neu zu schreiben. Der Betrachtungswinkel ist
unsere existentielle Situation.
Der Mensch ist von dreifachem Ursprung: mit seinem
Geist ist er in dem Großen Bewußtsein ("Himmel") verwurzelt, mit seinem
Körper in der Erde und mit seiner "Seele" in der Gemeinschaft. Jeder ohne
Ausnahme welcher Religion, Kultur, sozialen Position oder welchem Geschlecht
man/frau auch angehört ist in "Himmel, Erden und der Gemeinschaft"
eingebettet. Präziser ausgedruckt, umfaßt Ganzheitlichkeit die Einheit mit Deinem Selbst
(Bewußtsein), Deiner Psyche, Deinem Körper und der Natur, den Mitmenschen und der
Gesellschaft, alles in Hingabe an das Letzendliche. Beim Durchlaufen der Geschichte werden
wir die verschiedenen Entwicklungen immer wieder an diesem Kriterium spiegeln.
Es wird zu sehen sein, daß sich eine umgekehrte
Evolution - Regression - abgespielt hat: die vom Wahren Selbst zum Ego. Obwohl im Prinzip
an verschiedene Determinanten gleiche Wertigkeit zugeschrieben wird - alles entsteht dank
der Interaktion von gleich "nötigen" Faktoren - liegt bei unserer Studie
der Nachdruck auf der Einwirkung von Macht auf das spirituell-religiöse Leben. Es wird
probiert, einen Zusammenhang zu finden, zwischen der heutigen Zerrüttung und den daran
vorangehenden Phasen. Dabei wird Akzent gelegt auf die durchschlaggebenden Momente und
Geschehnisse vor dieser Entwicklung. Es ist eine Beschreibung, die nicht vorgibt eine
geschichtswissenschaftliche Arbeit im klassischen Sinn zu sein. Alles hängt von der
Klarheit der Brille ab, die man trägt (und wer weiß, vielleicht ist meine Brille sehr
klar)...
7. Wir beginnen beim Anfang: Die Urzeit. Der Name
für diese Zeitperiode GEBURT ist passend. Die Geburt der Menschheit viel
zusammen mit der MutterReligion, die Dominanz der Kosmischen Mutter. Darauf folgte die
Zeit der ERLEUCHTETEN, als die Periode der Großen Lehrer mit u. a. Echnaton, Hermes
Trismegistos, Pythagoras, Jesus en Plotinus. Die VERDUNKELUNG ist die Zeit, die hierauf
unmittelbar folgte. Apostel, Väter, Lehrer und Kirche erstickten das spirituelle Leben im
Keim.Oder genauer: alle die nicht an Christus glaubten - Gnostiker, "Heiden" und
Juden - wurden verfolgt, terrorisiert und ausgegrenzt. In dieser entscheidenden
Phase zu vergleichen mit den ersten Lebensjahren eines Kindes wurde die
ursprüngliche Einheit vom Gewurzelt-Sein in "Himmel, Erde und der Gemeinschaft"
blockiert bzw. weitgehend vernichtet, mit weitreichenden Folgen für die ganze weitere
Entwicklung der westlichen Welt.
Die mittelalterliche Mystik bedeutete dem entgegen
das Wiederaufleben der ursprünglichen Inspiration: die Wiederherstellung der Kosmischen
Ganzheit (RESTAURATION 1). Durch die jahrhundertelange Unterdrückung (Zwang, Kreuzzüge,
Verfolgung, Inquisition) hat sich dies nicht durchsetzen können. Aus dem definitiven
Entwurzelt-Sein heraus, hatte der Mensch keine Wahl mehr: er wurde schlußendlich auf sein
kleines Ich zurückgeworfen. Die neue Phase ist die der EINBILDUNG
("Renaissance"). Das Getrennt-Sein von "Himmel, Erde und der
(traditionellen) Gemeinschaft" wurde definitiv. Der Mensch hatte keine andere Wahl,
denn auf sein Ego zurückzufallen, die einzige Instanz, die verschont geblieben war. Eine
Blütezeit des Egos setzte sich ein.
Später mündete das in eine weitere Ego-Expansion
aus, in der ins Besondere der Vernunft herausgehoben wurde.( INFLATION). Dieses Zeitalter
des Intellekts, der Rationalität und der Wissenschaft nennt man ironisch genug
"Aufklärung" (oder auch: "Erleuchtung"....). Das ganze Leben
wurde dem Ratio unterworfen. Eine zweite Reaktion konnte deswegen nicht ausbleiben. Eine,
worin der westliche Mensch aufs neue versuchte die Wurzeln mit "Himmel, Erde und der
Gemeinschaft" wiederherzustellen: RESTAURATION 2. Der Ablauf war in Wirklichkeit bei
weitem fern von glücklich. Dieser ursprüngliche Impuls die Romantik
entartete in Faschismus und Nationalsozialismus. Die ZERRÜTTUNG ist die Gipfelung von
allem Vorhergehenden. In der modernen Zeit und auf der Spitze seiner Macht stürzt die
westliche Welt sich in ein komplettes Chaos, die globale Krise. Deren Ablauf kann noch
nicht vorausgesagt werden. Von der Einsicht, der Kraft, dem Mitgefühl und dem Einsatz
eines jeden wird es abhängen, ob wir noch eine UMKEHR einleiten können.
Die Geburt
Die Kosmische Mutter
8. Es steht fest, daß der Beginn unserer
Kultur dominiert war von der Kosmischen Mutter. Zahllose Funde (Terracottastatuen) und
auch Texte zeugen davon. An tausenden Beispielen kan konstatiert werden, daß die Frau in
all ihren Qualitäten dominant über den Mann war. Das Leben zentrierte sich rund den
fraulichen Archetypen von "Fruchtbarkeit, orgastischer Emotionalität und unmeßbarer
Tiefe" (C.G.Jung). Die Frau wurde (durch den Mann) verehrt als der Ursprung des
Lebens, von "Himmel und Erde", ein Brunnen aus dem er selbst entspringt. Die
Mutter vereinigte die Ganzheit der Schöpfung. In ihr kam alles zusammen, von ihr ging
alles aus. Ihr Körper war davon der lebende Ausdruck und das Symbol. Ins Besondere wurde
ihre Kraft in ihrer Sexualität ausgedrückt: Vulva, Schambereich, Oberschenkel, Becken
und Brüste. Beispiel ist die älteste Mutter, die vom Hohlen Fels bei Schelklingen in
Schwaben. (40.000 BCE). Die Kraft, Magie und Faszination, die von ihnen ausgingen war
überwältigend. Männliche Terrakottas vielen daneben vollkommen ins Nichts. Sie gleichen
noch am ehesten auf eine mißglückte Menschenfigur, unausgewachsen.
9. Moderne Schriftsteller(innen) unterstreichen die
Tatsache, daß der Ursprungsmythos die vor-patriarchalische Geburtszeit war. Alles kommt
aus dem dunklen Abgrund des Universums fort, aus "dem Schoß der Großen Mutter"
1) . Alles wird aus Ihr geboren und stirbt in Ihr. Sowohl das
Ewige Licht ("Gott") und das Universum. Ausgrabungen, u.a. in Göblekli Tepe,
Catal Höyük und Hacilar (Türkei) bestätigen das. Von der sumerischen MutterGöttin
Inanna sind die ersten schriftlichen Zeugen überliefert worden. Da erscheint Dumuzi
(Tammuz) als Ihr "Sohn/Geliebter", der Vegetationsgott, der im Herbst
"stirbt" um im Frühling wiedergeboren zu werden. Alle sichtbaren Dinge
hängen mit einander zusammen, sie formen zusammen das Lebensnetz. Das ist der Grund,
warum die Große Mutter als Kosmische Weberin bekannt ist. Das Gewebe ist die Ganzheit von
"Himmel, Erde und Gemeinschaft". Das, was wir "Schöpfung" genannt
haben. Das Bemerkenswerte dabei ist, daß alles in Beziehung zu allem steht, nichts und
niemand ist dabei ausgeschlossen. Die frühesten Menschen sollten sich "spontan"
ein Teil vom Ganzen gefühlt und danach gehandelt haben. Der frühe intuitive Zusammenhang
wurde später die Kosmische Ordnung oder das Lebensgesetz genannt. Der Mensch hat sich -
mit dem Aufkommen vom Patriarchat, dem Kapitalismus und dem Individualismus - aus dem
ursprünglichen Zusammenhang gelöst. Dies ist die Ursache für die Tatsache, daß er aus
seinem Kontext entfremdet und "auf sich selbst zurückgeworfen" ist. Ein
Organismus, der den Kontakt mit seiner nährenden Quelle verloren hat, stirbt früher oder
später ab. Der Mensch bildet darin keine Ausnahme. Will die Menschengemeinschaft noch
eine Zukunft haben, dann soll sie sich aufs neue in die Kosmische Ordnung einfügen
müssen.
1) Siehe auch: Han Marie Stiekema
"Der Schoß des Universums"
Der Mensch wurde aus dem Paradies gejagt, um darin zurückzukehren
11. Kommentar: Die Geburt ist unsere wahre
"Schöpfungsgeschichte". Es gibt an, wie der frühe Mensch sich selbst erfuhr:
in Harmonie mit Himmel, Erden und der Gemeinschaft. Die Frauen waren die Träger dieser
Einheitserfahrung, sie repräsentierten die Vitalkräfte der Natur. Die Männer liefen in
dieser Phase in der Entwicklung hinterher. Es ist dann auch nicht für nichts, daß sie in
"Genesis" die Rollen als Folge hiervon umgedreht haben: Adam war "erster
Mensch" mit Eva in der sekundären Rolle und wie ironisch als Verführerin.
Die Großen Erleuchteten
THOT HERMES (TRISMEGISTOS)
12. Im Zeitalter der Mutter wird die religiöse
Dimension als "Dunkelheit" und "Abgrund" erfahren, eine Urerfahrung,
die mit der eines ungeborenen Kindes zu vergleichen ist. Der Akzent liegt dabei auf der
Einheitserfahrung, dem Ozeanischen, auf der Einheit mit der Natur und ihren Urgewalten. In
dieser Phase wird die vitale Basis der Menschheit geformt. Sie wird gefolgt durch die
erste Phase des Patriarchats, die Zeit, in der die Schrift erfunden wurde. Die Schrift
wurde nicht nur das Fundament für die soziale Ethik (Pharaos, Hammurabi, Bibel,
griechische Philosophie), sondern diente zugleich als ein von Männern beherrschtes
Kontrolle- und Unterdrückungsmittel. Gesetze wurde geschrieben. Deswegen wird der
Autorität des Wortes soviel Gewicht beigemessen.* Jedoch konnte auch mit Hilfe der
Schrift zum ersten Mal auch Bewußtseinserfahrungen aufgeschrieben werden. Dies zeigte
sich in überwältigender Weise zuerst im alten Ägypten: mit dem Erscheinen des Pharao
Echnaton.
* "Und das Wort ist Fleisch
geworden".....
ECHNATON
13. Seit 500 v.Ch. tauchen in den verschiedenen
großen Kulturen Menschen auf, die angeben, daß sie das Göttliche verwirklicht haben. In
China waren dies zum Beispiel Lao-tse, Chuang-tse und Konfuzius und in Indien Shankara,
Mahavira und Sakyamuni Buddha. Im Gegensatz zu dem, was oft angegeben wird, war dies nicht
eine Zeit "in der das Licht durchbrach". In prähistorischen Zeiten lebten die
Menschen genauso wie alle andere Wesen dauernd, ohne Unterbrechung im Licht.
Das Licht war also schon da, IST da seit aller
Ewigkeit. Das Neue war, daß seit dem Beginn des Patriarchat das männliche Gehirn (Ratio)
so weit entwickelt war, daß es in Begriffen, Konzepten und Logik denken konnte. Es konnte
sich als erstes in seiner Entwicklung ausdrücken. Deshalb konnten in dieser Zeit die
ersten Aufzeichnungen gemacht werden. In der Tat war der Anführer dieser evolutionären
Geschehnisse Echnaton. Er ist die erste historische Figur, von der wir wissen, daß
er erleuchtet war, der "Sohn der Sonne". Er war den Obengenannten (Buddha!) 1000
Jahre im Voraus. Seine Erleuchtung brachte eine radikale Umkehr in seinem Leben zustande.
In einer Zeitspanne von 12 Jahren ersetzte er die alten Götter durch Aton, den
Sonnengott, verbreitete die neue Religion durchs ganze Land, und errichtete eine neue
Hauptstadt, Amarna. Seine spirituellen Erfahrungen beschrieb er in seinen unsterblichen
Hymnen. Durch seinen innerlichen Zustand war er nicht echt in Krieg interessiert, dem
entgegen setzte er sein Regime mit großer Härte durch. Daß ihm dies nicht in Dank
abgenommen wurde, beweist die Geschichte. Nach seinem Tod wurde alles unmittelbar in den
alten Zustand zurückgebracht.
THOT HERMES (TRISMEGISTOS)
Der mythische Thot Hermes, auch bekannt als der "Bote Gottes".
14. Alles Sichtbare und Unsichtbare
ist im Großen Bewußtsein eingebettet. Menschen, Pflanzen, Tiere und Dinge sind
gleichermaßen davon durchdrungen. Das Bewußtsein ist das Allesgegenwärtige, das ewig
Anwesende. In uns manifestiert es sich auf verschiedenen "Niveaus" oder
Qualitäten, die alle in des anderen Verlängerung liegen: vom primitiven
Untergetaucht-sein in unserer Gedankenwelt (unser "normales Funktionieren"), der
Übergang zum "Achtsamkeit", "Bewußtsein" einschließlich
"Satori" (kleine Erleuchtung), die Große Erleuchtung und das letztendliche
Aufgehen in das Absolute Nichts. Die Übergänge folgen einer eigenen Gesetzmäßigkeit:
die der sprunghaften Verlangsamung. Im neuen Zustand läßt man/frau die alten ganz und
gar hinter sich. Der neue Zustand ist eine Heimkehr, worin Dein "Wahres Selbst"
zu gleicher Zeit das Ganz Andere ist. Es gibt ein Bruch - ein diskontinuierlicher
Übergang - zwischen demjenigen, der du denkst zu sein, und demjenigen, dem du Wirklich
Bist.
15. Dieser Weg zum "Selbst"
(All) ist die wahre Bestimmung jedes einzelnen. Einige erfahren dies während des Lebens,
alle anderen ohne Ausnahme wird es zu Teil im Sterben. Daher, daß
"Sterben und Neu Geboren werden" das zentrale Thema für diejenigen ist, die in
DIESEM Leben ins "Ewige Leben" wiedergeboren wurden. Dieses aufs neue geboren
werden ist eine Heimkehr, eine Erfahrung (Verwirklichung) des wahren Ursprungs. In dieser
(letztendlich) tiefsten Dimension findest Du Deine Wahre Ganzheit, Einheit und tiefstes
Wesen. Ein Wesen, daß das individuelle Dasein übersteigt. In Mir bin Ich die
Essenz der Bäume, des Grases, der Wolken, des Meeres und des Himmels.
"Thot Hermes" dokumentiert in 17
verschiedenen Schriften - erst mündlich übergeben und schließlich im dritten bis ersten
Jahrhundert vor Christus aufgezeichnet in Alexandrien - seine Verwirklichung. Dies ist
wissenschaftlich bewiesen. Hiervon ging jedoch eine so weitreichende Inspiration aus, daß
es unwahrscheinlich ist, daß sie nicht auf eine große erleuchtete früh-ägyptische
Figur zurückzuführen wäre. So wird über "das Aufwachen zum Göttlichen",
"Gott als Ursprung allen Lichts" und eine Bergrede (...) über die
"Wiedergeburt und Gottesoffenbarung" gesprochen. Sie werden von großem Einfluß
auf den weiteren Verlauf der abendländischen spirituellen Kultur sein. Viele große
Gelehrte haben ihre Inspiration hieraus geschöpft.
16. War er für Echnaton, den erleuchteten
ägyptischen Pharao, das strahlende Vorbild? Diverse zentrale Aussagen von Jesus als auch
Plotinos zeigen eine auffallende Übereinstimmung mit Bildern, wie die durch Thot Hermes
beschrieben sind, auf. So gut wie alle gnostischen Strömungen sind durch ihn tiefgreifend
beeinflußt worden. Alle Lehren des späteren Christentums - sowie die Auferstehung, die
Dreieinigkeit usw. - sind bei ihm zurückzufinden. In seinen eigenen Texten kam Thot
Hermes (beschrieben in seinem ersten Buch) "aus der Finsternis in das Licht, aus dem
wilden Durcheinander des flüchtigen irdischen Bestehens ins Heimland, aus der
Beklommenheit und dem Mangel in die Freiheit der Fülle". In seinen anderen Büchern
tut er seinen weiteren Erfahrungen kund. Diese zeugen von einer Weisheit, sowie
diese nach ihm selten angetroffen wurde. Er sagt selbst: "Danach (nach seiner
Erleuchtungserfahrung) begann ich die Menschen die befreiende Botschaft von der
Gottesverwirklichung zu lehren". Und: "schauet mit den Augen des Herzens, so
daß Ihr die Pforte des Wissens findet, wo das klare Licht ist."
PYTHAGORAS
17. Die Zeit der ERLEUCHTUNG kennt mehr
Zusammenhänge als die meisten vermuten. Die ägyptische Kultur ist deutlich die Wiege
für fast alles, was später im Westen gesprossen ist. Thot Hermes war hierbei das große
Licht und der Inspirationsbrunnen. Viele Jahrhunderte später soll Pythagoras während der
20 Jahre, die er in Ägypten wohnte, daselbst zur Erleuchtung kommen sein. Er wird wie
folgt zitiert: "So wie Gott in mir ist, ist er auch in Dir.". Er war der erste
griechische Gelehrte, der nicht nur den Menschen als göttliches Ebenbild proklamierte,
sondern ebenfalls angab, wie mit dem Göttlichen Eins zu sein. Dies bestand aus
moralischen Vorschriften sowie aus der Vermeidung des Bösen, wie auch Anweisungen zur
meditativen Einkehr. Er war der erste, der das Weltall "Kosmos" nannte und den
Menschen als sein direktes Spiegelbild: "Mikrokosmos".
Noch während seines Lebens wurde er durch
Nachfolger als "Sohn Gottes" verehrt. Für Jesus war Pythagoras mit großer
Sicherheit eine wichtige Quelle der Inspiration. Der erste war schließlich eingeweiht in
die jüdische Sekte der Essener, und diese kamen wiederum fort aus der pythagoräischen
Schule. Die Übereinstimmungen in Aussagen sind auffallend.
JESUS
18. In der Folge der Zeit ist Jesus nach
Pythagoras (und zweifellos vielen unbekannten Anderen) der "dritte"
große Erleuchtete des Abendlandes. Er drückt seine Kernerfahrung unter anderem so aus:
"Ich bin im Vater und der Vater ist in mir". Sein erleuchteter Zustand wird mit
"Christus" angedeutet. Im Gegensatz zu Pythagoras hat er selbst keine
geschriebenen Schriften hinterlassen, so daß das einzige, was wir von ihm wissen durch
andere zu uns gekommen ist ("Evangelien").
Das Bild, daß wir von ihm haben ist darum per
Definition mangelhaft, notwendigerweise verformt oder sogar um 180 Grad verdreht oder in
den Mund gelegt. Das, was jedoch sicher feststeht, ist, das er ein getriebener Mensch war,
einer der rundzog, seine Botschaft verkündigte und viele Begegnungen mit einfachen
Menschen hatte. Seine auffallend positive Haltung gegenüber Frauen war für die Zeit (und
jüdische Kultur) außergewöhnlich. Um Frauen vor der Willkür zu beschützen der
jüdische Mann konnte selbst scheiden als er seine Frau nicht schön genug fand
verbot er zum Beispiel die Scheidung und brach mehrmals die patriarchalische jüdische
Ethik und ihr Gesetz. Die Fortpflanzung, die bis dahin die Sexualität dominierte, wurde
ersetzt durch die Liebe. Er genoß übrigens körperliche Berührungen, Hochzeiten und
was deutlich geworden ist aus den gnostischen Evangelien, ausgegraben bei Nag
Hammadi hatte eine Liebesbeziehung zu einer Frau.
19. Jesus scheint in zahllosen Aussprachen
über das Licht gesprochen zu haben. "Ich bin das Licht: wer mir folgt, wird nicht im
Dunkeln sein, aber empfängt das Licht des Lebens". Und in der Bergrede sagt er:
"Ihr seid das Licht der Welt" den Menschen zeigend, daß das Licht in jedem von
uns gleich anwesend ist. Im Evangelium nach Thomas lesen wir: Jesus sagte: "Wer alles
kennt, außer sich selbst, verpaßt alles". Und auch: "Wer dieses Licht besitzt
(realisiert), wird Mir gleich". Es ist klar, daß aus dieser und zahlloser anderen
Aussprachen, gleichwohl die aus der Bibel wie auch aus den gnostischen Evangelien, Jesus
sich selbst als spiritueller Lehrer zu erkennen gibt, als derjenige, der Menschen in ihrem
eigenen spirituellen Prozeß begleitet. Jede erleuchtete Botschaft wird jedoch durch
diejenigen, die sie anhören - übereinstimmend mit der eigenen Verwirklichung und
Einsicht - unterschiedlich begriffen und interpretiert. "Nur die, die Ohren haben,
hören". Die gleichen Worte, die bei dem einen das innerliche Licht durchbrechen
lassen, erweckt bei dem anderen nur Trost. "Wie sprach er doch schöne Worte",
könnte ein gläubiger Christ sagen. So wird die Rolle eines Erleuchteten bestimmt, durch
das Maß, indem seine Zuhörer ihn verstehen können. Niemand hat dies besser begriffen
als Jesus. Er wurde schließlich täglich konfrontiert mir der Unwissenheit seiner eigenen
Jünger: "sie verstanden ihn nicht". Die einzige wirklich Eingeweihte war Maria
Magdalena, der "Apostel unter den Aposteln".
PLOTINOS
20. Für Plotinos gilt das gleiche, allein daß
für ihn Plato das verbindende Element war. Genauso wie Plato verstand Plotinos die
göttliche Weisheit jedoch nicht ausschließlich intellektuell, sondern überstieg diese
im tatsächlichen Aufgehen in das Eine. Nach seiner ersten Erleuchtungserfahrung
versammelte er Menschen um sich, an die er seine Einsichten weitergab. Dabei "wurde
er oft durch göttliche Eingebungen gefangen, wodurch sein innerliches Licht durch sein
Antlitz strahlte" meldete sein Anhänger Porphyrius. Dieser war es übrigens, der die
Lehren von Plotinos aufgezeichnet, geordnet und in sechs Gruppen von neun Schriften
("Enneaden") herausgegeben hat. So strahlt das All-Eine in das Sein, das Selbst
und dies letztendlich in das individuelle Bewußtsein. Das wahre spirituelle Leben ist die
dauernde Empfänglichkeit für und das Gerichtet-Sein auf den Ursprung. Obwohl die
sichtbare Welt nicht abgewiesen wird: "sie kommt als letzte Emanation ebenfalls aus
dem Göttlichen fort und hat darum eine übereinstimmende Schönheit", doch liegt das
Heil im Losmachen von jeder Identifikation, eben durch den "Weg zurück" zu
gehen. Wer alle (irdischen) Segnungen genießt, aber die Erleuchtung nicht kennt, ist
trotz alledem arm".
21. Die Kraft von Plotinos war das Übertragen
seiner eigenen Verwirklichung in ein Gedankengut, welches das direkte Spiegelbild seiner
Verwirklichung war. Beim Austragen dieser Botschaft ist Erleuchtung an sich nicht genug.
Es unterstellt, daß man erst selbst vollkommen gereinigt und im Prinzip frei von jeder
Abhängigkeit, Sucht oder Dominanz des kleinen Ichs ist. Neben dem spirituellen Leben ist
Transformation, Integration und Einswerdung der gesamten Persönlichkeit eine Bedingung.
Es stellt sich in vielen Fällen heraus, daß dies "schwieriger" ist als der
spirituelle Weg "selbst". Viele Gelehrte "scheitern" dann auch, nicht
weil sie nicht "erleuchtet" wären, sondern weil sie in entscheidenden Momenten
doch durch ihre unverarbeiteten Dinge bzw. das Ego dominiert wurden.
Ein vernichtendes Beispiel hierfür war
Augustinus, der freilich erleuchtet war, aber durch seine zwangsneurotische Sex- und
Machtvorstellungen der ganzen westlichen Kultur unbeschreiblich mehr Schlechtes als Gutes
gebracht hat. Plotinos dem entgegen der nicht für Nichts eine große Faszination
auf Augustinus ausübte hatte seit dem Beginn eine reine Ausstrahlung gehabt.
Nahezu alle großen Lehrer, von Scotus Eriugena, Dionysios Areopagita, Gregorius van
Nyssa, Basilius der Große, der Hesychasmus ("Jesusgebet"), Nicolaus von Cusa,
Meister Eckhart einschließlich moderner Mystiker, sind durch ihn tiefgehend beeinflußt.
Tatsächlich waren sie gemessen an ihren tiefsten Erfahrungen
Neo-Platoniker, konnten aber dies durch die Dominanz und Schreibunterdrückung der Kirche
nicht als solche austragen. Erleuchtete selbst (Jesus, Plotinos) manipulieren nicht. Sie
sind wie ein "Lamm". Allein eine auf Macht ausgerichtete Institution versucht
anderen seinen Willen aufzuzwingen. Was dann auch passiert ist.
22. Kommentar: Nachdem "die Verbundenheit
mit der Erde" zustande gekommen war (GEBURTSZEIT), brach in der ERLEUCHTUNG die
Erfahrung der Einheit mit dem "Himmel" durch. Hierdurch hätte ein neues
Gleichgewicht in der Kultur Eintritt halten können. Aber, sowie bereits gesagt:
transzendentale Erfahrungen bestimmen selten die Richtung von Entwicklungen. Andere
Tendenzen und Bestrebungen machen sich oft Meister über das Licht und manipulieren dieses
gemäß den eigenen Zielsetzungen. In diesem Fall waren es die Männer, die aus ihrer
Unreife heraus, ihrer Angst und den nicht verarbeiteten Traumas der Vergangenheit, der
vollen Einheit mit "Himmel" und "Erde" nicht gewachsen waren. Die
meisten verfielen in eine krampfhafte Kontrolle von dem, was ihre Befreiung und Erfüllung
hätte sein können.
Die Verdunkelung
Die Kirche
23. Es entsteht ein Drama, das sich noch
während des Lebens von Jesus abgespielt. Stellen Sie sich vor: der geliebte Meister,
allzeit in Gesellschaft von seinen Jüngern. Diejenigen, die ihm am nächsten sind,
begreifen ihn jedoch nicht. Kein einziger ist erleuchtet, kein einziger so selbstlos, kein
einer, der auch so mutig ist wie Jesus. Eine Tantalusqual also: sie sehen es alle vor
ihren eigenen Augen passieren, niemand, der es von Innen heraus erfahren kann. Und dann
diese Frau: Maria Magdalena. Sie "hat alles" was diese "Apostel" nicht
haben. Sie ist eingeweiht, Vertraute und Geliebte des "Herrn". Eine Frau dann
auch noch, in den Augen von jüdischen Männern, ein zweitrangiges Wesen, steht zwischen
ihnen und dem "geliebten Meister". Alle ihre patriarchalischen Emotionen und
Vorurteile lodern regelmäßig auf: "Er liebt sie mehr als uns" und "er
küßte sie auf den Mund". Neid staut sich auf. Man lüstet nach Rache und wartet auf
den richtigen Zeitpunkt.
24. Während Maria Magdalena in der Periode
nach der Kreuzigung Jesu ihr eigenes innerliches Licht bei Menschen, die ihr folgten,
durchscheinen lassen konnte, machten die Apostel verzweifelte Versuche, um mit Jesu Tod
zurecht zu kommen. Für sie - im Gegensatz zu Maria Magdalena - "war da plötzlich
nichts mehr". Auch sie wollten mit dem Folgen des "Herrn" weiter machen,
wußten jedoch nicht wie. Eine große Verzweiflung nahm von ihnen Besitz. "War jetzt
alles für nichts gewesen?". Irgend etwas mußte gefunden werden. Und es war in der
Tat ihr Einfallsreichtum, der die Lösung bringen sollte. Das erste Problem war das von
Jesus' Tod. Hier mußte ein Nachteil in einen Vorteil umgesetzt werden: die
"wunderbare Auferstehung"*.
Zum Zweiten: wie bekommen sie weitere
Entwicklungen in den Griff, nun, da niemand von innen heraus die wirkliche Inspiration
hat? Das Auftreten von Maria Magdalena war in diesem Zusammenhang ein Dorn im Auge. Das
Licht, daß sie ausstrahlte, als diejenige, die wirklich die Einweihung durch Jesus
empfangen hatte, brachte immer mehr Menschen in Begeisterung. Sie war eine gefürchtete
Konkurrentin. Der "Heilige Geist" brachte hierfür die Lösung: im
Pfingsttreffen, wobei alle Apostel zugleich durch den "Heiligen Geist"
"erleuchtet" wurden...
Es steht fest, daß dies niemals stattgefunden
hat. Hierdurch ist der ganze paulinische Überbau des Christentums und damit das
Christentum selbst zusammengebrochen. Siehe: G. Lüdemann "Die Auferweckung
Jesu von den Toten", 2002, zu Klampen
25. Und was sollte man mit dem Problem der
"Liebe" tun. Auch hier ist es wieder Maria Magdalena, die deutlich im Vorteil
ist. Sie ist nicht nur eine Frau, wodurch sie schon auf natürlicher Weise Wärme,
Anziehungskraft und Tiefe hat, sie war auch "intim" mit dem "Herrn"
gewesen, wodurch sie die logische Fortführerin der Liebesbotschaft war. Schlußendlich
war sie "nicht für Nichts" auserwählt durch einen erleuchteten Meister. Die
Apostel waren dem entgegen und ihnen wurde dies deutlich leere Gefäße.
Angesichts ihres Geschlechts, ihrer Abstammung und Kultur rangen sie fortwährend mit dem,
worüber Maria Magdalena so frei verfügte: Einsicht, Hingabe und Liebe. Im jahrelangen
Zusammensein mit Jesus hatten sie diese Qualitäten nicht oder kaum erworben. Und nun, da
ihnen der "Meister" entfallen war, und darüberhinaus konfrontiert mit einer
(weiblichen) Überlegenheit, die sie niemals übersteigen konnten, wurde dieser Mangel zur
Waffe. Während in Wirklichkeit alte patriachalische Pferde aus dem Stall geholt wurden,
bis hin zur Einschränkung der Liebe, wurde die Liebe das "unbesiegbare" Monopol
der durch die Apostel gegründeten Kirche".
Die Apostel begonnen die "Botschaft der
Liebe" mit der dahinter liegenden Absicht, diese im Zaume zu halten, zu verkündigen.
Während Maria Magdalena die wirkliche Braut Jesu gewesen war, wurde dies ersetzt durch
die Vorstellung, daß jede Frau - falls sie "keusch" lebt! - eine Braut von
Christus werden kann. Das waren dann sofort zwei Fliegen mit einer Klappe: Kontrolle und
Dominanz über die Frau, ihre Sexualität und Liebe. Daß einige Zeit später "die
Kirche als die Braut Christi" ausgerufen wurde, braucht uns dann auch nicht mehr zu
wundern. Die männliche Angst vor der Liebe wurde immer mehr zu einer Obsession, diese
unter Kontrolle zu bekommen. Und die Institution mit seiner priesterlichen Macht, seinen
Theologien und Sanktionen eignete sich am besten dafür. Während Jesus ausdrücklich der
Liebe Priorität über die Fortpflanzung gegeben hatte, wurde dies bereits im ersten
Jahrhundert nach Christus zurückgedreht. Es war eine Fortsetzung der Unterdrückung der
Frau (und alles was sie repräsentiert), was bis jetzt angedauert hat. Das ursprünglich
Verwurzelt-Sein - in "Himmel und Erde" - wurde dabei durch eine Geschichte
ersetzt, woran jeder zu glauben hatte ("Die Frohe Botschaft"). Die Erfahrung der
Wirklichkeit - die Einheit mit "Himmel und Erde" - wurde reduziert auf eine
abgeleitete Wirklichkeit, die Welt von Bildern, Vorstellungen und Allegorien. Also waren
große Erzähler (Evangelisten) gefragt.
26. Meine These ist, daß hiermit der Samen
für die spätere Entwicklung, ja unsere heutige ZERRÜTTUNG gesät wurde. Da der Streit
mit der Wirklichkeit angezettelt wurde, wurde in zunehmendem Maße das Leben-Selbst
verstümmelt und verformt. Die "frohe Botschaft mußte über die Welt siegen".
Und die Welt umfaßte alles, was dem Menschen teuer war. Diese nicht einfache Aufgabe
konnte dann auch allein mit hysterischer Selbstverleumdung "zu Willen des
Königreichs" - welches noch kommen mußte - zustande gebracht werden. Märtyrer
wurden bewußt geopfert, um Eindruck und Achtung bei anderen, den "Heiden", zu
wecken. Frauen wurden in großem Umfang ermutigt, ihre Männer "zu Willen
Christi" zu verlassen. Die Kirche zielte auf die anwesende Frustration vieler Frauen
angesichts der patriarchalischen Ehe. Dies wurde gefolgt durch eine ebenso hysterische
Polemik gegen alle die, welche die "Christliche Botschaft" nicht annehmen
wollten. Und das waren etwa alle: Juden, "Heiden" und anders denkende Christen
("Ketzer").
Es wurde ein Streit gegen alles was
"anders" war, vom alten jüdischen Gott gegen jeden der seine Autorität nicht
annehmen wollte. Jedem wurde ohne Unterschied oder Respekt die Freiheit, über das eigene
Leben zu verfügen, im Tausch für "die Freiheit in Christus" genommen. Die
Heftigkeit mit der dies geschah, kann allein durch die eigenen Frustrationen und durch die
Verdrängung unverarbeiteter psychischer Inhalte beziehungsweise Emotionen erklärt
werden. Zum Beispiel die Abscheu über die "Ausgelassenheit" zur Zeit der
Großen Mutter ("Hure von Babylon") als Projektion der eigenen verdrängten
Sexualität. Viele haben sich gefragt, woher die Kraft der Verkündigung kam. Warum nun
gerade das Christentum sich durchsetzte und nicht zum Beispiel der Neo-Platonismus? Meine
Antwort ist: dank der (uneigentlichen) Kraft, geschöpft aus den gigantischen verdrängten
Energien (Verdrängung von "Himmel und Erde"), projektiert in
"übermenschliche" Ideale, Zielsetzungen und Machtsträume.
Die Begriffe, mit denen andere zum
Beispiel Frauen angegriffen wurden oder/und verurteilt wurden, waren dann auch
rundheraus schockierend. Was soll man denken von: "Ihr seid die Pforte, die dem
Teufel Zugang gewährt" ("Kirchenvater" Tertullianus über die Frau),
"Wenn der Mensch alles, was sich unter der Haut (einer Frau) befindet, sehen
könnten...sollte das Ansehen einer Frau nur Erbrechen hervorbringen" (der
"heilige" Abt Odo von Cluny), "Die Frau ist ein mißlungener Mann"
(der "heilige" Albertus Magnus), zu gleicher Zeit war der Gipfelpunkt die
Betitlung der Maria Magdalenas als "Hure". Soviel Respekt hatten die Patriarchen
nun vor der Geliebten ihres Meisters.
27. Direkt nach dem Tot Jesu, hatte die
Entwurzlung der westlichen Kultur, von der wir nun die bitteren Früchte pflücken, also
begonnen. Das in großem Maßstab Aufdrängen der "christlichen Botschaft" mit
konsequenter Unterdrückung und Vernichtung der "Gegner". "Gegner",
die auf alle mögliche Arten das normale gewöhnliche Alltagsleben, sowie das
außerordentliche Leben repräsentierten. Das Auseinanderreißen galt der Beziehung mit
SichSelbst, sowohl was den Wesenskern betrifft (Selbstverwirklichung als
"Gotteslästerung und Hochmut"; die Beschuldigung gegen die "Ketzer"),
die fundamentalen Kräfte der Psyche (Körperlichkeit, Sex, Erotik) als auch den Kontakt
mit der Natur ("die Liebe zur Erde ist Untreue zu Gott). Zitat des
"Kirchenvaters" Ambrosius: "seht Ihr eine Blüte im Vorjahr, zertrete sie
dann unmittelbar vor Gott". Die Wurzeln "Himmel und Erde" mußten
rücksichtslos vernichtet werden zu Gunsten der Identifikation mit dem
"Vermittler", Jesus Christus, und im weiteren: der Kirche. Mit der
"Bekehrung" der Heiden hatte die Kirche dann auch den Kontakt mit der Natur
vernichtet. "Heilige" wie Willibrord und Bonifatius vernichteten Heilige Bäume,
Haine, Altare und vergifteten Quellen. Wer sich nicht bekehren ließ, wurde terrorisiert
oder sogar ermordet (nach Wiki).
Die Bekehrung wurde übrigens nun im
Gegensatz zum "Feuer" der ersten Christenheit von oben auferlegt. Mit dem
Wort und wenn das nicht ausreichte, mit dem Schwert. Daß diese nicht immer mit Dank
angenommen wurde, zeugt also der Mord an Bonifatius (in Friesland). Bis ins Mittelalter
war die Christianisierung unvollendet. Aber die größte (Tot)Sünde, die der Kirche
angerechnet werden kann, ist das Verschlampen ihres eigenen Ausgangspunktes: "Gott
ist Liebe". So wie keine andere Organisation hat gerade sie die Liebe konsequent auf
alle Weisen verleugnet, zertreten und vernichtet. Daß die Liebe (Gott) das gesamte Dasein
durchdringt und dadurch heiligt, wurde konsequent geleugnet. Der Ausgangspunkt der
Göttlichkeit der Schöpfung, inklusive des Menschen, war ja nicht im Sinne einer
Institution, die den Menschen sich untertan machen wollte. Auch die Sexualität war ein
gefürchteter Konkurrent. In ihrer "Glückseligkeit" konnte "Gott"
(also die Kirche) viel zu leicht vergessen werden.
In der Ehe wurde zum Beispiel die
"sexuelle Liebe" im besten Fall nur geduldet ("besser als durch Sex
besessen zu sein") oder in Folge des jüdischen Brauchs ganz und gar verurteilt.
Letztere bestempelte sexuelle Handlungen, die nicht zur Fortpflanzung führten "als
Greueltaten". Der Jünger von Justinus (Tatianus) nennt es "Hurerei" und
gibt damit die Meinung vieler Christen aus allen Zeiten wider. Allein die Form der Liebe,
die ihrer Machtposition zu Gute kam, wurde nicht nur zugestanden, sondern sogar
befördert: die Liebe "zu Christus" (also der Kirche) und die Nächstenliebe.
Ja, Bekümmernis um die "Schwachen und Wehrlosen" ließ diese oft "zum
wahren Glauben" übergehen. Die Rechtfertigung war die "Erlösung jedes Menschen
durch Christus" und das "Königreich, das kommen wird". Die durch die
Kirche entwurzelte "alte Gesellschaft" mit den Worten Jesu
"verlasset Eure Mutter und Euren Vater und folget mir" als Alibi sollte
ersetzt werden durch ein ganz neues Zusammenleben: die "christliche
Gemeinschaft". Es ist an jedem einzelnen selbst, zu beurteilen, ob ihr dies gelungen
ist.
28. Kommentar: unsere große ZERRÜTTUNG hat
seine Vorväter also in dem Grüppchen zerrütteter Männer, gewöhnlich auch
"Apostel" genannt. Als Repräsentanten des Patriarchats stifteten sie eine
Kirche, die unsere Kultur weitreichend formen sollte. Die "ersten Kinderjahre"
die, wie wir jetzt aus der Psychologie wissen, sind ausschlaggebend für die (spätere)
psychische Gesundheit des Individuums. Ihre Unwissenheit, Unreife, Frustration und das
daraus entstandene Kontrolle- und Machtbedürfnis stellte sich als ausschlaggebend für
die spätere Schieflage unserer Kultur heraus: ein Haus mit einem untauglichen Fundament.
Die spirituelle Wirklichkeit - sowie durch Christus vorgetragen - wurde, ohne daß sie
selbst verwirklicht oder begriffen wurde, nach Willkür und in einer verdrehten Form, auf
andere Wirklichkeitsebenen, sowie das Selbst, die Beziehungen der Menschen untereinander
und die Beziehung mit der Natur, projektiert. Während Jesus selbst niemals müde wurde zu
sagen, daß "alles vom Vater (Gott, "Himmel") kam", wurden die
Gläubigen gezwungen, sich mit Christus (der Kirche) als dem einzigen Weg zum Heil zu
identifizieren.
Die Rechtfertigung: "das Leben in
Christus" und die Erwartung des "Königreichs" war eine verzweifelte
Projektion des eigenen Unvermögens, gipfelnd in eine hysterische Erwartungshaltung, in
der jeder mitgesogen wurde. Die große Anzahl Bekehrter kompensierte das fundamentale
Gefühl der Unsicherheit, welches das Kennzeichen der Apostel von Beginn ab war, als sie
ihr Haus und den Herd verließen, um Jesus zu folgen. Die Kirche wurde übrigens schon
schnell der Prototyp dessen, was man heute (in negativem Sinn) eine "Sekte"
nennt: ein blinder Glaube in einen "Heiland", die autoritäre Struktur,
Indoktrination sowie Gehirnwäsche, irrationale Lehrinhalte, das anwenden von Sanktionen,
(...), das ungezügelte Machtsstreben und die finanzielle Ausbeutung, das große Beispiel
für alle späteren, autoritären Regimes. Es ist die Tragik von Jesus, seinen Einsatz zum
Abbruch des Patriarchats mit einer patriarchialen Religion "belohnt zu
sehen"..., die in seinem Namen zwanzig Jahrhunderte lang die Menschheit unterdrücken
sollte.
29. Im Gegensatz zur kollektiven Verdrängung
des (wahren) Lebens in der orthodoxen Kirche, stellten die gnostischen Christen
(Nachfolger Maria Magdalenas) alles in Bewegung um Geist und Seele, also Wesen und Psyche,
miteinander in Einklang zu bringen. Der Prozeß der spirituellen Selbstentdeckung ist
notwendigerweise und zu gleicher Zeit eine Integration, ein Ganzwerden der totalen
Persönlichkeit. Nach einem valentinianischen Autor "ist unsere Psyche erst dann mit
unserem Wesen vollständig integriert, wenn der Adam und die Eva in uns wiedervereinigt
sind". Und auch Liebe und Sexualität wurden bei den Valentinianen im allgemeinen
positiv geschätzt. Das Bett wurde zum Beispiel "Brautkammer" für den Aufstieg
zu Gott genannt. Diese Christen nahmen also die Verantwortung für ihre eigene Ganzheit
auf sich, im Gegensatz zur orthodoxen Gemeinschaftsethik, wo es nur auf die Gehorsamkeit
gegenüber der Kirche und den Bischöfen ankam. Diese gnostische Selbstintegration ging
sogar weiter als zum Beispiel der Buddhismus, wo der spirituelle Weg mit dem
"Erreichen der Erleuchtung", der Verwirklichung Deines "ursprünglichen
Gesichts" endet. Die (nicht-dualistischen) Gnostiker stellten größere Forderungen
an sich selbst: das Erlangen des "einen Gesichts", das in Harmonie bringen der
Essenz mit der Persönlichkeit. Das dies nicht genug geschätzt werden kann, wird deutlich
sein. Wieviel wäre der westliche Kultur nicht erspart geblieben, wie wäre sie zur Blüte
gekommen, wenn sie ihre Forschungen weiter hätten führen können.
30. Die Zeit, die darauf folgte, war eine Zeit
in der das Festigen der Institution Kirche erfolgte. Zahllose Lehren und Dogmen wurden
festgesetzt, oft auf Kosten "abweichender" Meinungen und Überzeugungen, die
damit gleichzeitig verketzert oder in den Bann geschlagen wurden. In der Zeit, daß Kaiser
Konstantin (313) zum Christentum überging, hatte dieses sich bereits so verbreitet und
institutionalisiert, daß es sich einfach in die neue Machtstruktur "fügen
ließ". Tatsächlich war es eine Sekte, "die die Macht ergriffen hatte". In
dieser zweiten Phase der VERDUNKELUNG hatte die Kirche sich schon von einer Anzahl seiner
meist exzellenten Kirchenväter abgewandt: Clemens und Origenes. Der erste wurde
verketzert wegen seiner zu großen Verehrung der Gnosis dem Weg der Selbsteinsicht
und der zweite große Erleuchtete wegen seines Traktats über die drei (sich
einander ergänzenden) Treppen zur Vervollkommnung: Glaube, Wissen (griechische
Philosophie) und Selbstverwirklichung. Vor allem die Lehre der "letztendlichen
allumfassenden Erlösung aller", wobei die "ewige Hölle" aberkannt wurde,
sollte ihm zum Verhängnis werden. Die Kirche hatte zuviel Interesse an einem Fortbestehen
des "Bösen" als Instrument, um das Volk in der Kirche zu halten.
Daneben sollte die Verurteilung des sogenannten
Donatismus weitreichende Folgen haben. Ihre Anhänger verlangten von denen, die der
Gemeinschaft vorangingen eine innerliche Qualität, "Heiligkeit". Dies wurde
durch die frühe Kirche mit dem Standpunkt abgewiesen, daß allein formelle Amtsausübung
für die Funktion von Priestern und Bischöfen weitaus genügt. Wie ließ sich die
"junge Kirche" hiermit in die Karten gucken. Schon damals war die Forderung zur
Unterwerfung an die Institution das höchste Gebot. Die dunkelste Zeit begann, als
Augustinus, Bischof von Milan, auf der Bühne erschien. Neben dem (bekannten) Streit mit
seiner Sexualität, ist es vor allem seine düstere Sicht auf die menschliche Freiheit
gewesen, die durch die veränderten Umstände keine aufständische Sekte mehr,
sondern eine Kirche, die sich konsolidieren wollte durch die Kirche als neue Lehre
akzeptiert wurde. Dieser "heilige Vater" schreckte auch nicht davor zurück,
Schmiergelder zu geben. Er gab dem Papst 90 nubische Hengste als Geschenk, um ihn für
seinen Standpunkt zu gewinnen. Vor allem die Diskussion mit dem jungen Bischof Julian von
Eclanum ist bestürzend. Während nach Augustinus der Mensch durch die Erbsünde zum
Schlechten verurteilt ist, und ohnmächtig ist, hieran selbst etwas zu tun, verteidigt
Julian in der Nachfolge auf Pelagius den Standpunkt, daß die Dinge (sowie
die Sexualität) im Prinzip natürlich sind.
Auch Krankheit und Tot bei Augustinus
auch die Folge von und eine Strafe für die Erbsünde fallen bei Julian unter die
natürlichen Gesetze, worunter jedes lebende Wesen fällt. Daß die Kirche an diesem
befreienden Standpunkt keinen Vorteil hatte, wird deutlich sein. Beide, Pelagius und
Julian, wurden verketzert und in die Verbannung gebracht. Augustinus genehmigte den Krieg
und die (Staats)Gewalt und hieß letztendlich die öffentliche Verfolgung von
"Ketzern" gut. Der Weg war frei für das, was bald die "normale"
Praxis werden sollte: die groß angelegte Verfolgung und die Scheiterhaufen der
Inquisition.
Restauration 1
Die Mitteralterliche Mystik
31. "Der Geist weht wo er
will". Auf vielen Plätzen und in den meist unterschiedlichen Menschen flammte
plötzlich nach all diesen düsteren Jahrhunderten das Licht auf. Die Manifestation war
schon genauso vielfarbig wie die mittelalterliche Gesellschaft selbst. Nachdem in den
Jahrhunderten zuvor John Scotus Eriugena auf magistrale Weise eine erneuete Interpretation
des neo-platonischen Weltbildes gegeben hatte, mit darin starken "pantheistischen
Tendenzen", tauchte im elften Jahrhundert eine "pantheistische Gruppe" um
Amalrik von Bena auf. Letzterer bewährte, daß alles göttlich ist, ohne Ausnahme.
Anderswo war ein Tanchelm von Antwerpen "aufgestanden", der sich mit prachtigen
Gewändern und Firlefanz behing, um dann rundzuziehen um zu verkünden, daß er der neue
Erlöser sei. An anderen Orten suchten und fanden die Armutsbewegungen als Humiliaten und
Waldenser den Weg zum "apostolischen Leben"
In der Geschlossenheit ihres Konvents schrieb
die zurückgezogene Beatrix von Nazareth "Über sieben Arten von Minnen", eine
ekstatische Beschreibung der Vereinigung mit dem göttlichen Geliebten. Einer der
Höhepunkte der europäischen spirituellen Literatur: Die Grallegende wurde geschrieben.
Und Ruusbroec, der "Großmeister der Mystik", schrieb im Grünwald bei Brüssel
seine fast wissenschaftliche Abhandlung über das Aufgehen in Gott. Dabei kam er so dicht
an die Vergöttlichung des Menschen, daß er mit knapper Not der kirchlichen Verurteilung
entkam. Kurz davor lebte eine gewisse Bloemaerdinne, eine einzigartige Frau mit großer
"Autorität", die die Erotik ("serafinische Liebe") propagierte als
ein Mittel zum Aufstieg bzw. Vereinigung mit Gott.
32. Sie war Teil eines viel größeren
"Netzwerkes" ursprünglicher Inspiration: die Brüder und Schwestern des Freien
Geistes. Diese Menschen zeugten vom Finden Gottes in Ihrem eigenen Inneren, von
Selbstverwirklichung. So sagte ein unbekannter rheinländischer Einsiedler: "Die
göttliche Essenz ist meine Essenz, und meine Essenz ist die göttliche Essenz". Oder
so wie eine Schwester Katrei es ausdrückte: "in meinem tiefsten Wesen bin ich
Gott". Der große Inspirator der "Bewegung" war der "Meister der
Mystik" Eckhart der in seinen deutschen Predigten vielfach ähnliche
Aussprachen machte. Er sagte zum Beispiel: "Wenn Du im rein Göttlichen aufgehst,
wovon Gott nur eine Offenbarung ist, dann wirst Du noch seliger sein. Vollkommen selig
wirst Du erst, wenn Du in der Leere des Göttlichen verschwindest, dort wo keine
Aktivität noch Bilder sind, und wo kein Gott ist". Auch Bernhard von Clairveaux,
sehr kontrovers und der Gründer der Zisterzienser, kann nicht unerwähnt bleiben. Mit
seinen Predigten - er wurde der "Honigsüße" genannt - introduzierte er die
sogenannte Brautsmystik. Auch durch seine Inspiration standen in großem Umfang Frauen
auf, die sich selbst von der Kirche und der Ehe befreiten, um auf originelle Weise - als
"Begine" - ein ganz anderes und mystisches Leben zu führen.
Zwei wichtige Vertreter sind Hadewych und
Marguerite Porete. Die Letztere sagt: "Die göttliche Seele hat selbst kein
Bedürfnis nach Gott mehr". Anderswo verkündigte der Benediktiner Abt Joachim von
Fiore das "Dritte Reich", worin letztendlich alle Menschen "durch den
heiligen Geist erleuchtet sein werden". Die Inspiration hierfür kam angeweht aus dem
Hesychasmus, die einzige mystische Bewegung im Christentum, die mit Hilfe von
Körperhaltungen und Atemkontrolle die meditative Einkehr ("Jesusgebet") übte.
Diese war auf ihrer Seite wieder inspiriert durch indische und buddhistische Mönche, die
in den ersten Jahrhunderten in der ägyptischen Wüste lehrten, (und später durch den
Neo-Platonismus)...Auch die dualistischen, gnostischen Sekten beteiligten sich nach
Kräften. Aus dem früheren Manichäismus entstanden über die Pauliner und die Bogomilen
letztendlich die vielbesprochenen Katharer, die "Sekte", die voor allem in
Italien und Südfrankreich ihre Blüte hatte. Und was zu sagen über die späteren
Troubadoure, die in Poesie und Musik die höfische Liebe besungen?
33. Wo auf so vielen Fronten zugleich so viele
Menschen durch ursprüngliche Inspiration inspiriert werden, da kann die Repression einer
Machtinstitution nicht ausbleiben. Zuerst war man bestrebt, das "Böse" mit den
eigenen Mitteln zu bestreiten. Dazu wurden durch den Papst die sogenannten
"Bettelorden" ins Leben gerufen: die Dominikaner ("Hunde Gottes") und
die Franziskaner, Nachfolger des autoritätstreuen Franziskus von Assisi. Diese
"Orden" mußten eine so gut mögliche Kopie der erfolgreichen
"ketzerischen" Armutsbewegungen (Humiliaten und Waldenser) werden, mit dem Ziel,
Menschen, die sich zur Armut hingezogen fühlten, innerhalb der Kirche zu halten
("Dritter Orden des hl. Franziskus"). Während Franziskus selbst ein
"Erfolg" war, traf das Schicksal vor allem seine Anhänger: die Spiritualen
(...). Als die Franziskaner es nämlich geschafft hatten, den päpstlichen Auftrag zu
erfüllen, gab dieser daraufhin den Befehl, die Regeln von Franziskus "zu
erweichen" (um auch hier mögliche "Entgleisungen" zu verhindern).
Diejenigen, die jedoch dem ursprünglichen Glauben treu geblieben waren, wurden auf
päpstlichen Befehl massenhaft abgeschlachtet. Dominicus folgte einen anderen Weg. Er
glaubte an eine direkte Rolle beim Bekämpfen der Ketzer.
Anfänglich passierte dies ausschließlich
mittels Überredung, er wurde hierzu mehrmals durch den Papst zu den Katharern gesendet,
später stimmte er in Zusammenarbeit mit der eingeführten Inquisition der
physischen Verfolgung, Verbannung, Konfiszierung, Folterung und der Todesstrafe
(Ertränken, Scheiterhaufen) zu. Um sich nach außen von Missetaten sauber zu waschen,
wurden die Verurteilten durch die Inquisition auf besonders heuchelige Weise "an die
weltliche Macht" übergeben, die das Opfer dann richtete. Die meisten waren
"Ketzer", Anhänger von Bewegungen, Lehrer (oder nur Menschen, die hiervon
verdächtigt wurden) unter denen viele Erleuchtete und Mystiker mit Lehren,
die durch die Kirche verurteilt wurden. Die Verurteilungen waren freilich immer
inszeniert, die Schuld stand von vornherein fest.
34. Was vielleicht weniger bekannt ist, ist
daß die Inquisition die Gesellschaft viele Jahrhunderte! lang vollständig mit seinem
Terror in seiner Macht hatte. Jeder spionierte jeden aus. Eine Vermutung oder Gerede war
schon genug, um durch die Handlanger der Inquisition, die sich wörtlich überall
aufhielten, verhaftet zu werden. Selbst die besten machten hierbei mit. So schrieb die
visionäre Hildegard von Bingen Briefe an den Bischof von Mainz, um doch besonders etwas
an dem Problem der "Ketzer" zu tun; sprach Jan van Ruusbroec seine Abscheu über
die Person van Bloemaerdinne aus und bestempelte Bernard von Clairveaux (der
"Honigsüße") die "Heiden" als "Hunde", die man vernichten
mußte. Die Begine Marguerite Porete ist durch ein Komplott aus eigenen Kreisen auf dem
Scheiterhaufen gelandet. Ein besseres Beispiel für die spätere Gestapo bestand also
nicht (die auch wirklich durch die Inquisition inspiriert war). Hierdurch kam es, daß die
Reaktion letztendlich am längeren Hebel saß: die Vernichtung aller ursprünglichen
"Ketzer" und Freidenker. Der Widerstand der Menschen war am Ende völlig mürbe;
das selbstheilende Vermögen der Kultur war für immer verschwunden. Der Mensch hatte
keine Wahl: durch den definitiven Bruch mit "Himmel und Erde" konnte er allein
noch auf sich "selbst" zurückfallen. Noch war die düstere Macht nicht
ausgewütet. In einem folgenden Zeitabschnitt (EINBILDUNG) sollten große Gruppen Frauen
("Hexen") dem gleichen Schicksal verfallen.
35. Kommentar: die Mystik des Mittelalters als
Fortführung der ERLEUCHTUNG ist ein bestimmender Moment in der Geschichte der westlichen
ZERRÜTTUNG. Es war eine "heroischer Versuch" die innerliche Tradition
fortzusetzen. Vor allem die "Brüder und Schwestern des Freien Geistes" und die
"Kartharer" mit ihrer Inspiration nach anderen (orthodoxe Mystiker, Beginen,
Begarden) waren dabei die Träger des Wahren Lichts. Sie repräsentierten die
Selbstverwirklichung: "das Göttliche als mein tiefstes Wesen". Sie hatten den
Mut mit ihren Erfahrungen direkt ans Licht zu kommen. Dies wurde ihnen nicht in Dank
abgenommen. Die Repressionen der Kirche waren dann auch besonders rücksichtslos. Das ist
zu verstehen, da die spirituelle Verwirklichung die Kirche überflüssig macht. War ihr
Leben auch oft regelrecht ein Drama, wie mitleiderregend dem gegenüber war auch das Leben
der orthodoxen Mystiker, die sich in alle möglichen Ecken wringen mußten, um doch in
Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche zu bleiben. (Teresa von Avila zB).
Kontrolle und Feedback auf die innerliche
Erfahrung sind sicher empfehlenswert und oft notwendig, angesichts der vielen
Stolpersteine und "Irrwege", aber dann sicher keine durch eine Institution
auferlegt, die ja gerade aus spiritueller Unwissenheit heraus entstanden war. Durch ihre
Eingriffe hat die Kirche verhindert, daß die unterschiedlichen Strömungen, Schulen
"Sekten" (Gnosis, Schule des Pythagoras, Neo-Platonismus) von innen heraus eine
eigene Kontrolle auf die spirituelle Qualität ausüben konnten. Sowie es zum Beispiel im
Buddhismus immer der Fall gewesen ist. Die Unterdrückung war dem entgegen so
vollständig, daß bis heute noch keine wirkliche Genesung stattgefunden hat. Grob gesagt,
hat der Westen seitdem kaum eine echte "Spiritualität" gekannt, sei es
ausschließlich in einer verkümmerten und verzogenen Form. Und was man heute "New
Age" nennt, ist dann auch ein (kommerzielles, pseudo-spirituelles) Überholmanöver.
Die Einbildung
Die "Renaissance"
36. Die Renaissance wird im allgemeinen
als ein Höhepunkt in der Europäischen Kultur aufgefaßt. Lassen wir darum erst die
offizielle Geschichtsschreibung ans Wort, um uns einen Eindruck von der Zeit geben zu
lassen. Es war, so sagt man, eine "neue" Zeit von konstruktiver Offenheit
gegenüber der Welt. Im Gegensatz zum Mittelalter waren die Menschen "von dieser
Welt": säkular. Vor allem in Italien entstand ein Klima, worin fiele Facetten der
Persönlichkeit entwickelt werden konnten. Die Welt war so aufregend, daß kein Bedürfnis
nach dem "Jenseits" bestand. Eigennutz stand voran. Hier auf Erden von schönen
Dingen genießen und die psychologische Befriedigung hierdurch, wurden hervorgehoben.
Geschäfte und Vermögen machen standen hoch in der Fahne. Anstelle "der Welt
entsagen" kam ein Gefühl von eigener Kraft, das starke Individuum, daß seine eigene
Welt erschafft. Alles: Geschäfte, Kunst, Literatur, Politik, war eine Manifestation des
Individualismus. Es wurde ermutigt, aus der Menge herauszuragen. Alles war realistisch und
sachlich, nur die sichtbare "objektive" Wirklichkeit mit Unabhängigkeit in der
Kunst, worin der dreidimensionale Raum hervorgehoben wurde, war wichtig. Die
Äußerlichkeit der Dinge stand im Mittelpunkt. Auch die Literatur war von dieser Welt.
Geschichten wurden geschrieben, teilweise zum Zeitvertreib, teilweise zur Formung des
Charakters und des Verhaltens. Dies schloß sich beim System der Erziehung an. Hieraus
sprach eine neue kritische Attitüde. Äußerlichkeit, gute Manieren und Etikette waren
unentbehrlich für den gesellschaftlichen Erfolg. Machiavelli beschrieb die neue
politische Realität: "Herrscher und Regierungen handeln ausschließlich aus
Eigennutz". In Italien vollzog sich der Bruch mit dem Mittelalter am
vollständigsten. Neben der Beteiligung an den neuen Entwicklungen, rang man/frau in
Nordeuropa jedoch noch mit der Vergangenheit.
37. Auffallend in dieser Beschreibung ist die
moderne Atmosphäre. Es fällt nicht schwer, sich selbst hierin zu erkennen. So zu sehen,
ist seit dieser Zeit wenig verändert. Und vielleicht ist das auch so. Unser Standpunkt
ist ja auch, daß die Renaissance ein Bruch mit dem Vergangenen und die Öffnung zu einem
neuen Zeitalter ist. (Das Ego-Zeitalter, welches in die große ZERRÜTTUNG von heute
gipfelt). An oben stehender Beschreibung wollen wir dann auch nichts ändern. Nur, wie
können die Fakten interpretiert werden? Als triumphierende Wiedergeburt und Befreiung aus
den knechtenden Fesseln der mittelalterlichen Religiosität und der kirchlichen
Unterdrückung? Ohne Zweifel. Aber ist das die einzig mögliche Sichtweise? Eins der
Probleme ist das bereits oben signalisierte. Wir haben uns mit den Werten und dem
Verhalten, die seit der Renaissance entstanden sind so selbstverständlich (positiv)
identifiziert, daß es schwierig ist, plötzlich diese gleichen Fakten aus einer
vollkommen anderen Perspektive zu sehen. Die Absicht dieses Buches ist jedoch gerade
dieses. Die Perspektive ist der spirituelle Mensch, der Mensch der "sichSelbst in
Verbundenheit ist": verwurzelt in "Himmel und Erde".
38. Wie oben schon gesagt: der
Renaissancemensch hat deutlich einen Sprung von innen nach außen gemacht. Eine
auffallende Ähnlichkeit mit unserer Modernität ist nicht zu leugnen. Im Gegensatz zu dem
"Kollektiven" des Mittelalters, steht der Individualismus, der Glaube in die
eigene Kraft im Vordergrund. Unverhüllter Eigennutz erlebte eine Blüte. Geld begann eine
große Rolle zu spielen. Die Realität beschränkte sich auf die sichtbaren Dinge.
Religiosität ist überholt. Anstelle ausgeliefert zu sein an "höhere Kräfte",
hatte man/frau die Dinge zu sich selbst herangezogen. Man/frau ist stolzer Besitzer
irdischer Güter sowie guter Manieren. Ein ausgiebiges Maß an Selbstgenügsamkeit, ja
Arroganz, ist unverkennbar. Man/frau ist nicht mehr an "höhere Mächte"
unterworfen. Politik ist ein Machtbestreben aus Eigennützigkeit geworden. Nun die Dinge
in eigener Hand liegen, kann die Sachlichkeit der Dinge hervorgehoben werden. Man ist Chef
im eigenen Hause geworden.
39. Mein Standpunkt also ist, daß zugleich mit
der Befreiung von der auferlegten Religiosität, von der Krankheit der Vergangenheit (die
Kirche und sein Terror), auch ein innerlicher Sprung gemacht wurde: vom Wahren Selbst zum
Ego. Aus der psycho-spirituellen Dynamik gesehen, hatte der Mensch jener Zeit "keine
Alternative". Die jahrhunderte lange Vernichtung des Daseins war total gewesen. Das
Verwurzelt-Sein in "Himmel und Erde" - der optimale Zustand eines wirklich
erwachsenen Menschen - war somit unmöglich gemacht. Persönliche Isolation war die
einzige Antwort auf eine Umgebung, die unerträglich geworden war. Der einzige Ausweg war
der "Rückfall" auf das kleine Selbst, als die einzige Instanz, (die noch übrig
blieb), womit man/frau sich identifizieren konnte. Was übrigens eine Kompensation des
erlittenen Verlustes war, was jedoch (logischerweise) nicht so erfahren wurde. Nachdem
man/frau so viel Elend durchgemacht hatte, lag der Akzent auf dem Neuen und dem Einholen
von neuen Errungenschaften, anstelle der Verarbeitung des Alten.
Die Geburt der westlichen Persönlichkeit: der
Individualismus, das "besonders" sein wollen, das auf die Außenwelt
Gerichtetsein...ist also tatsächlich ein Abschirmen von unerträglichem (inneren) Leid,
eine Überlebensstrategie gewesen. Die oben genannte Fakten ("Renaissance")
kommen also wieder in einem etwas anderen Licht zu stehen. Viele der letzten Entwicklungen
der Kultur können daraus erklärt werden. Ein Rückfall auf das Selbst
("Selbstsucht", Ego, EINBILDUNG), während alle anderen innerlichen Wege
blockiert sind, bedeutet, daß von diesem Moment an, das Ego die einzige innerliche
Instanz ist. Der Spiegel des Selbst (Gott) ist verschwunden, zum Unterbewußten verwiesen,
verdrängt. Es ist das "Zurückgeworfensein auf sichselbst"*. Während das Ego
als einzige innerliche Instanz nirgendwo mehr "Verantwortung abzulegen
hat", ist man tatsächlich ans Ego ausgeliefert. Während man/frau sich selbst
erfährt als aus einem neuen "Kraftzentrum" heraus, wird man/frau zu gleicher
Zeit durch das Ego dominiert. Genuß von Dingen (und zurecht!) ist - bei Abwesenheit von
jeglicher Transzendenz - gleich Egosucht. Das Schockierende daran: die Kirche selbst war
die Ursache von der - mit der EINBILDUNG einsetzenden - "Säkularisierung" der
Gesellschaft.
*Als der Weg zurück zur Quelle als Erfahrung
abgeschnitten ist, dann bleibt - durch das Verschwinden des (inneren)
Gleichgewichts - für das Ego nichts anderes übrig als sich selbst aufzublähen. Das war
der Beginn der Westlichen Ego-Kultur mit Individualismus, Eigennutz, Materialismus,
Wissenschaft, Technologie, Gewinn, Aufhäufung, Expansion und Ausbeutung als zentralem
Antrieb.
40. Zwei Dinge bestimmten den abrupten Wechsel
des Zeitgeistes: das definitiv Abgeschnitten-Sein von jeder weiteren innerlichen
Entwicklung durch die jahrhundertelange Unterdrückung einerseits UND das Unvermögen, die
gigantische Last der Angst, Wut und des Schmerzes weiter zu verarbeiten andererseits. In
der selben Zeit, in der man/frau sich mit neuem Elan und Enthusiasmus ins Neue stürzte,
wurde das Alte ins Unterbewußtsein geschickt. Das Ego kann eine solche große emotionale
Last nicht tragen, dies wurde darum zum Schatten, der abgewiesene Teil der
Persönlichkeit, da wo alles Unverträgliche gelagert wird. Letzterer wird dann nicht mehr
ins Bewußtsein zugelassen. Das augenscheinlich "starke Ich" (EINBILDUNG) hat
somit ein permanentes Gegenstück bekommen. Dies wird DAS Kennzeichen der westlichen
Persönlichkeit (übrigens auch der der östlichen, aber das ist eine andere Geschichte):
"Du bist das, was Du im Innern verschließt" (und das ist nicht schön).
Deine Identität wird geformt von dem
Ausschluß dessen, was nicht in Dein Selbstbild paßt. Alles innerhalb dieses Selbstbildes
ist "eigen", was außerhalb liegt, ist fremd, das "Andere". In dieses
"Andere" werden nun alle unbewußt gewordenen Emotionen aus der Vergangenheit
projiziert. Der Andere wird so Opfer Deines eigenen verdrängten Leids. Unbewußt bedeutet
das: "er/sie soll fühlen, was mir ist angetan". Nun gut, uns westlichen
Menschen (und nicht allein uns) ist gigantisch viel angetan worden. Unser gesamtes
kollektives Unterbewußtsein ist dadurch gefärbt. Selbst in solch einem Maß, daß wir
kollektiv nicht in der Lage waren, diese Last zu verarbeiten. Die EINBILDUNG war das
Unvermögen bzw der Widerstand gegen das verarbeiten der Vergangenheit. Wir haben keinen
Trauerprozeß durchgemacht. Dies ist der Grund, warum wir westlichen Menschen den
"Anderen" zum Gegenstand unserer Aggression gemacht haben. Dies äußerte sich
bereits in derselben Zeit, wo die rücksichtslose Verfolgung des "Anderen", die,
der dem Mann am nächsten ist: die Frau, losbrannte.
41. Vom verdrängten "Anderen" zum
"Bösen" war leider nur ein kleiner Schritt. Hierbei spielten die
unterschiedlichsten Ursachen eine Rolle. Auch die "Renaissance" hatte die
männliche Unreife in Beziehungen, Gefühlen und Erotik, seine Frustrationen rund der
Sexualität, seine heimliche Angst und Insuffizienzgefühl gegenüber der Frau nicht
wesentlich verändert. Dies war seit undenkbaren Zeiten ja bereits ein Teil seines
Schattens gewesen! Sowie bereits angedeutet, war darüber hinaus der Übergang im Norden
nicht so abrupt und vollständig. Hier existierten noch: die Position der Kirche und
seines Terrors, der Aberglaube an bösen Mächte, die Erinnerung an die rezente
Vergangenheit. Ein Gebräu von gegenübergestellten Kräften bestimmte das innerliche und
tägliche Leben. Obwohl in Italien der Triumph des "übersiegenden Ichs"
gefeiert wurde, wurde der Norden durch zerreißende Konflikte bestimmt. Die Spannung lief
dermaßen auf, daß diese sich entlud. Als dann auch ein Jesuit sein Buch "der
Hexenhammer" herausgab, brach die Hölle los. Die Frau als "Hexe", als
Sinnbild des Bösen, verzaubert durch den "Teufel", werde jeden bedrohen und zum
Untergang führen.
42. Die Kirche sah unmittelbar ein neues
Gebiet, um ihren Inquisitionsterror fortzuführen. (Die Organisation wurde übrigens
niemals echt aufgelöst. Sie besteht heute noch als das "Heilige Officium der
Glaubenslehre!"...), die Männer konnten ihren verdrängten Haß auf Frauen
abreagieren. Gleich der verdrängten Last der Vergangenheit (man bedenke, daß dieses Erbe
seit Beginn der Jahrzählung auch das Verhalten der "Apostel" und ihrer
Nachfolger bestimmt hatte) wurde den Frauen unsagbar viel Leid angetan. Nach Willkür
wurde jahrhundertelang hausgehalten mit Scheinprozessen, Folterungen, Ertränkungen und
dem Tod auf dem Scheiterhaufen als die beliebtesten Beschäftigungen. Mann hatte die Frau,
"für das, was sie ihnen (den Männern) angetan hatte", bezahlen lassen. Daß
die Frauen nicht die letzten waren, wird jedem bekannt sein. Der Schatten war (ist) noch
nicht ausgetobt. Waren die Juden, die Heiden (man denke auch an die
"Kreuzzüge", die unter anderem durch Bernard von Clairveaux in Gang gebracht
wurden), die Philosophen, die Ketzer und die Frauen "bereits an der Reihe"
gewesen, sollte man doch noch oft in Wiederholungen verfallen, unter anderem durch die
Judenpogrome und die Unterwerfung bzw. Ausrottung von anderen (Natur)Völkern in der
jüngeren Vergangenheit. Oder mit den Worten des indischen Schriftstellers Vine Deloria:
"Überall wo das Kreuz geht, ist nie mehr Leben im Überfluß allein noch Tod,
Vernichtung und letztendlich Verrat..."
43. Kommentar: Die Kopplung Ego - Schatten hat
sich seitdem konsolidiert. Dabei sind beide unzertrennbar miteinander verbunden. Das Ego
schickt dabei unverdaute Erfahrungen zum Unterbewußten, der Schatten verstärkt das Ego
in seiner Abwehr und Unterdrückung. Beide bestärken einander in ihrem Fortbestehen, sie
sind hoffnungslos auf einander angewiesen. In erster Instanz führte dies zur Expansion
des Egos. Auf allen möglichen Gebieten wurde seine Aktivität ausgebreitet. Ohne die
Anwesenheit eines innerlichen Kontextes, einem worin die Ego - Schatten - Polarität
"Ruhe finden kann", führt diese allerdings zu unerträglicher innerlicher
Spannung. Erst wurde als Überdruckventil noch die Expansion (Kolonisation, INFLATION und
im Kapitalismus) gefunden, später Entgleisungen wie der Faschismus, und schließlich
mündete es in den heutigen Kollaps der großen ZERRÜTTUNG. Der damit einhergehende
Kontrolleverlust über innerliche sowie äußerliche Geschehnisse kann in der UMKEHR nur
durch die Wiederherstellung mit den Wurzeln aufgefangen werden. Nur die Bewußtwerdung und
Verwirklichung des Wahren Selbst kann die innerliche Pattstellung durchbrechen bzw. seine
Wiedereingliederung in "Himmel, Erden und die (Neue) Gemeinschaft".ermöglichen.
Die Inflation
Die
"Aufklärung"
44. Typierender kann es nicht sein: das
Ego, welches sein eigenes Aufgebläht-sein das Zeitalter der "Aufklärung" oder
auch "Erleuchtung" (in den Englisch-sprechenden Ländern), nennt. Der Grund? Bei
Abwesenheit des Wahren Selbst der einzigen Pforte nach Erleuchtung war die
Menschheit definitiv auf das kleine Selbst (Ego) zurückgefallen. Man wußte nicht besser
als daß dies der "Kern" der Persönlichkeit ist! Das griechische Logos
was ursprünglich Wahres Selbst bedeutete wurde nun dann auch als
"Ratio", Verstand, aufgefaßt. Anstelle der Kultivierung von wahrer
Innerlichkeit wurde alles ausschließlich an äußerlichen Erfolgen abgemessen, und die
waren in dieser Periode überall sichtbar. Man identifizierte sich stets weiter mit der
Außenwelt und dem Intellekt. Die Aufklärung hat ja mit wirklicher Erleuchtung nichts zu
tun. Sie ist gerade das äußerste Gegenteil hiervon, die Folge ihrer Abwesenheit. Im
Mechanismus der INFLATION steht die Idee des "Fortschritts" zentral, das
Gefühl, daß "die Zeiten immer besser werden".
Dauernd entstehen neue Einsichten und
Errungenschaften, die das Leben immer weiter bereichern. Erfindungen, Wissenschaft, Kunst
und Literatur erfahren alle weitere Blüte. Vor allem die Naturwissenschaften breiteten
sich aus. Gott war weniger Gott der Liebe als wohl die unendliche Intelligenz, die das
Universum als eine "Uhr" laufen ließ, wovon Newton die mathematischen Gesetze
formulierte. Allerlei Sorten Wissen hatten fleißigen Absatz. In dieser Zeit hielten
einflußreiche Damen "Salons", wo Menschen und Ideen zusammen kamen. Sozialer
Fortschritt war ein beliebtes Thema. Voltaire und Montesquieu wurden fleißig gelesen. Das
sich stets ausbreitende intellektuelle Wissen wurde in stets dicker werdenden
"Enzyklopädien" zusammengefaßt und eifrig nachgeschlagen. Die Ideen von
Descartes "ich denke, also bin ich" beherrschten nun ein ganzes Zeitalter: die
der Vernunft. Alles was nicht durch die Vernunft begriffen oder erklärt werden konnte,
machte am öffentlichen Leben nicht mit. Im "Untergrund" waren zugleich doch
"irrationale Strömungen". Nicht nur pietistische Literatur, sondern auch zum
Beispiel Freimaurerei blühte überall in Europa. Populäre Wissenschaft (das erste
"science fiction") übertrieb oft die realen Errungenschaften der
Naturwissenschaft.
45. Durch den Verlust des Kontextes von
"Himmel und Erde" das Wegfallen des integrierten Weltbildes hatte
das "Ich" ein eigenes Leben zu führen begonnen. (EINBILDUNG). Sowie das
"Ich" sich vom Wahren Selbst abspaltete, spaltete der Vernunft sich vom Ego ab.
(Das Wesen der Zerrüttung: die Zersplitterung der Ganzheit!). So trennten sich mit Beginn
des industriellen Zeitalters Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft sich definitiv von
der ursprünglichen spirituell-religiösen- kulturell-ökologischen Matrix und damit aus
der sozialen Kontrolle der Gesellschaft. Die Büchse der Pandora hat sich geöffnet. Der
neue rationale, intellektuelle und wissenschaftliche Reduktionismus als autonom
wachsender Komplex war bestimmend für die weitere Entwicklung der Kultur. In sich
selbst enorm expandierend ("Fortschritt"), war dies zu gleicher Zeit eine enorme
Reduktion und Verarmung der innerlichen sowie äußerlichen Welt. War die EINBILDUNG noch
eine Zeit, worin das Ego in all seinen Aspekten Kontakt mit der Wirklichkeit hatte
vital, phantasierend, genießend, kreierend war dies in der INFLATION
größtenteils zurückgebracht auf intellektuelle Aktivität. Binnen dieser Aktivität
wurden allerdings "ganze Welten" erschlossen.
46. Dies berührt eines der Kernprobleme des
Intellektes. Mit dem Vermögen, in der eigenen Denkwelt "alles zu erschaffen",
wird die Notwendigkeit zum Kontakt mit der wirklichen Welt immer weniger wahrgenommen. Man
lebt allein noch in seiner eigenen Denkwelt. "In Gedanken-sein" heißt es dann
auch. Dies führt zur Selbstentfremdung und Kontaktverlust mit der Wirklichkeit, "ich
denke, also bin ich nicht" (...). Man/frau sieht wohl einen Baum, aber ständig ist
da etwas (Gedanken) dazwischen. Realitätsverlust durch das Intellekt! Außerdem verärmt
das Gefühlsleben. Der Baum ist nicht mehr im Stande Emotionen aufzurufen. Mitgefühl
verschwindet aus unserer Seele. Man/frau wird unentwegt vom Gedankenstrom ins Schlepptau
genommen, man/frau ist dauernd "besetzt". Darum ist das intelektuelle Selbst
inflationär. Man/frau ist lediglich noch mit einem Teil des Selbst identifiziert. Das
Aufgebläht-sein muß den Verlust an echter Erfüllung kompensieren. Für sich allein ist
die eigene Welt "ohne Grenzen", zugleich wird es immer schwieriger, mit
"anderen Denkwelten zu kommunizieren". Vereinsamung mitten im intellektuellen
Überfluß ist die Folge. Nirgendwo wird dies besser wahrgenommen als im "Zeitalter
der Kommunikation". Trotz aller technischen Hilfsmittel Satelliten, Computer,
Video, Handy, Internet, iPad, Facebook fühlen wir uns mehr denn je auf uns selbst
zurückgeworfen.
47. Kommentar: Durch das mechanische Weltbild
und die Reduktion des Selbst auf seinen Intellekt wurde ein neuer Schritt in Richtung der
Verkümmerung der Kultur gesetzt: INFLATION. Jetzt wurde selbst innerhalb des Selbst ein
Schritt zurück gemacht. Von "Vollheit" nach intellektueller Verarmung. Durch
den Mangel an innerlichem Halt (Folge des Entwurzelt-Seins, dem Kontaktverlust mit
"Himmel", "Erde" und Wahren Selbst) ist man der eigenen Gedankenwelt
überliefert. Diese scheint stärker als Dichselbst. Der Weg zur vollständigen Dominanz
der Technologie war offen, so wie wir das heutzutage selbst am eigenen Leibe spüren
könnnen. Dies erschuf eine Ersatzwelt, dies um den Verlust des Selbst, optimale
menschliche Beziehungen und den Kontakt mit der Natur zu kompensieren. Und zwar in solchem
Maße, daß der ursprüngliche Kontext kaum noch zurückzufinden ist. NB. Es ist
allerdings viel zu einfach, die heutige ZERRÜTTUNG ausschließlich nur den Folgen des
"mechanischen Weltbildes" im Gegensatz zum "ganzheitlichen"
zuzuschreiben. Kennzeichnend für unsere Krise ist, daß sie sich gerade nicht allein in
der Vorstellungswelt abspielt, sondern die Folge einer existentiellen Entwurzelung ist.
Die Krise ist (unendlich) viel ernster, umfassender, tiefer und also ...
vielversprechender. Freibleibendheit ("New Age") ist also wohl die letzte
Haltung, die hier am richtigen Platze ist.
Restauration 2
Die Romantik
48. Bei einer so einseitigen Entwicklung
konnte eine Reaktion nicht ausbleiben. Die Bilanz des Lebens drohte vollständig zu einer
Seite zu kippen, den Boden völlig unter den Füßen zu verlieren. Durch manche wurde der
Verlust des Kontaktes mit der Natur, dem Mitmenschen und Gott zu stark empfunden.
Nostalgie nach der (idealisierten) Vergangenheit kam in den Herzen auf. Rousseau war dabei
einer der ersten. Er hatte mehr Vertrauen in spontanes Gefühl als in intellektuelle
Kritik, mehr in soziale Gleichheit als in ein autoritäres Regime, mehr in die
natürlichen Kräfte als in Korruption und die Künstlichkeit der Gesellschaft. Durch
seine Nachfolger u. a. Bryon, Victor Hugo, Goethe und Schiller wurden alle Werte der
"AUFKLÄRUNG" fundamental angezweifelt. Es wurde nach der Wahrheit geforscht,
nach menschlichen Qualitäten und nicht allein dem Intellekt, die Beziehung zwischen
Denken und Fühlen zum Beispiel und die Bedeutung der Vergangenheit. Es wurde eine ganz
eigene Strömung.
Empfänglich wie man/frau war, wurde anstelle
der strengen Einteilung der Wirklichkeit durch die Vernunft, die Wahl an "unbestimmte
Gefühle und Stimmungen" gegeben. Man empfand Abscheu für die Tendenz, alles
aufzuteilen, zu klassifizieren, zu abstrahieren oder zu generalisieren. Vor fix und
fertigen Lösungen waren sie mißtrauisch. Im Gegensatz dazu wurde man vom Unbekannten,
dem Mysteriösen und weiten Fernen fasziniert. Was sie in der "AUFKLÄRUNG"
vermißten, war spirituelle Tiefe (...). Die Romantik kannte wirklich Erleuchtete (so wie
übrigens jede Zeit). Schiller war einer von ihnen. Der Schlußchor aus der 9. Symphonie
von Beethoven, "An die Freude", ist in Wirklichkeit ein ekstatischer Lobgesang
auf seine Erleuchtungserfahrung. Man glaubte dann auch in die außergewöhnliche
Persönlichkeit, ein Genie auf seinem oder ihrem Gebiet. Auch ein Volk konnte diese
Qualität besitzen, ein "Volksgeist" so wie Herder ihn beschrieb, einer, der
Richtung an den eigenen Charakter einer Nation geben mußte.
49. Daß dieses früher oder später zu einem
totalitären System führen konnte, konnte damals noch niemand voraussehen. Alles hängt
vom Zusammenkommen der richtigen Zeit und den Umständen ab, von den Voraussetzungen, die
auf die richtige Art und Weise erfüllt werden. Fakt ist, daß die Romantik zu schwach
war, um die ganze Gesellschaft in ihrem Sinne zu verändern. Politische und ökonomische
Machtfaktoren, der Fortgang der Wissenschaften und das Aufkommen neuer Ideologien
(Kapitalismus, Liberalismus, Sozialismus) machten dies unmöglich. Das Verlangen nach
Ganzwerdung wurde aufs neue ins Unterbewußte geschickt. Während der spätere Kommunismus
vor allem auf die Realisierung sozial-ökonomischer Gleichheit gerichtet war, gingen die
Kräfte von dem was später der Faschismus werden sollte, deutlich tiefer. War der erste
ein Produkt aus intellektueller, philosophischer und gesellschaftlicher Kritik (Marx), war
der zweite auf eine ganze Skala menschlicher Emotionen und Motiven aufgebaut. Es schien,
als ob das verlorene Erbe einer ganzen Kultur an die Oberfläche kam.
Das Gefühl des Verlustes nationaler
(deutscher) Identität (nach dem ersten Weltkrieg) brachte den Verlust von "Himmel
und Erde" ans Tageslicht, zusammen mit dem (unbewußten) Haß gegenüber denen, die
ihnen dieses Erbe genommen hatten. Nur beschädigte Menschen mit wenig Ich-Kontrolle
hatten das zweifelhafte Vorrecht, dieses Verlangen nach Ganzwerdung am stärksten zu
fühlen. (Bei den mehr Intellektuellen war der Kontakt mit der verlorenen
"Seele" relativ unbewußt geblieben). Außer Vertreter der "Konservativen
Revolution" und andere Gesellschaftskritiker. Es war also kein Wunder, daß die Art
worauf die Ganzwerdung erreicht werden mußte, verdreht war. Der Haß wurde auf die Juden
projektiert, als die "Anderen" ,die für den Verlust des "Eigenen"
verantwortlich gemacht wurden. Die Kirche war dabei das große Vorbild. Diese hatte die
Juden schließlich schon jahrhundertelang verfolgt und für den "Verlust von
Christus" verantwortlich gemacht.
50. Mein Standpunkt ist, daß allein aus einer
spirituell-gesellschaftlichen Perspektive eine richtige Beurteilung über die Grundzüge,
die Motive und die Auswirkungen des Faschismus zu machen ist. Mit dem Aufkommen von extrem
rechten Organisationen überall in Europa, erscheint dies selbst dringend geboten.
Vielleicht können wir etwas Neues lernen, um weiteren Rassenhaß und alles was damit
zusammenhängt zu verhindern. Im Keim, so stelle ich fest, war der Faschismus ein Versuch
der RESTAURATION, geboren aus dem Impuls der Romantik. Ausdrücklich als solche
aufgefaßt! war und ist es ein verständlicher Schrei nach Ganzwerdung, die Anhäufung
aller verdrängten Gefühle einer ganzen Kultur. Dies wurde als "Die Große
Niederlage" erfahren. Das Verlangen nach dem eigenen Land, dem eigenen Volk und der
Erlösung durch einen Führer gibt genau an, worum es geht. Die "Erlahmung der
Kultur" ruft nach Erneuerung der vitalen Kraft. "Die Große Niederlage"
kreiert das "Urverlangen" nach dem Eigenen, genauso wie die Emotionen von Haß
gegen die, die die Niederlage "verursacht haben" und die bei Versuchen zur
Wiederherstellung "der ursprünglichen Situation im Weg stehen".
Auf diese Art und Weise können die
unterliegenden Motive besser verstanden werden. Als Ergänzung zu den tausenden Bücher,
die nach dem zweiten Weltkrieg über den Faschismus erschienen sind und die nahezu
ausschließlich intellektuelle Interpretationen beinhalten, scheint eine existentielle
Betrachtung einen notwendigen Nachtrag zu sein.
51. Der Gegensatz zwischen beispielsweise der
amerikanischen Revolution und dem Faschismus kann viel Deutlichkeit schaffen. Erstere war
der Widerstand gegen die Verquickung von Kirche und Staat, sowie die seinerzeit in England
bestand und zurückging auf die Zeit der römischen Kaiser. Es war ein Ruf nach Freiheit
aus der Unterdrückung. Dabei orientierte man/frau sich an die frühe Christenheit, den
Widerstand gegen den römischen Herrscher, und das Loslösen aus alten Bindungen, um
letztlich eine "christliche Gesellschaft" aufzubauen. Die Amerikanische
Revolution war genau wie die erste Christenheit eine gewollte Entwurzelung aus alten
beengenden Beziehungen.
RESTAURATION 2 mit dem daraus entstandenen
Faschismus beäugte dem entgegen genau das Gegenteil. Dessen Impuls war auf das Abschaffen
der Selbstentfremdung, die gerade eine Folge der christlichen Entwurzelung war, und auf
die Wiederherstellung der Ganzheit der alten (heidnischen, römischen) Gesellschaft
gerichtet. Er beäugte die Wiederherstellung der "Volksgemeinschaft". Dieser
Antagonismus zwischen "Freiheit" (Christentum) und "Integration"
(Heidentum/Verbundenheit) - die christliche "Freiheit" der ersten Jahrhunderte
war die Ursache für die Entwurzelung des damals bestehenden Zusammenlebens!, so wie
dieser immer noch tief in unsere Geschichte eingekerbt ist - erklärt den heftigen
Abscheu, die Repräsentanten beider Richtungen bis heute für einander empfinden. Nun da
jedoch rezent der Bankrott der zu weit gegangenen Freiheit (Entwurzelung und Chaos) in
großem Maße deutlich wird, stehen wir vielleicht zum ersten Mal vor der
Aufgabe, Freiheit und Verbundenheit zusammen zu bringen, ohne dabei in Extremismus zu
verfallen.
Die (Post)Moderne Zeit
52. Wenn wir uns das Konzept der "Bewegung
der Kultur" als eine vom Zentrum zur Peripherie gehende vorstellen, dann sind wir nun
an der äußersten Schale angekommen. Gemessen an unserem Ausgangspunkt "der Mensch
verwurzelt in Himmel, Erde und der Gemeinschaft": die Einheit mit sichselbst, seinem
Körper und der Natur, seinen Mitmenschen, in fortdauernder Hingabe an das Letzendliche,
dann finden wir davon in unserer modernen Zeit fast nichts mehr zurück. Der Mensch ist
vollkommen von sich selbst, seinem Körper und der Natur, seinem Mitmenschen und dem
Göttlichen verfremdet. Er ist dadurch willenlos innerlicher und äußerlicher Impulse
überliefert. Er hat kein erkennbares Innerliches (Selbst) als Zentrum des Bewußtseins,
wodurch er sich innerlich leer, chaotisch und desorientiert fühlt. Er ist jeder
willkürlichen Ablenkung, Impuls und Manipulation ausgeliefert. Ununterbrochen ins
Schlepptau genommen von seiner eigenen Gedanken-, Vorstellungs- und Wunschwelt, hat er den
Kontakt mit der Wirklichkeit verloren. Bei Abwesenheit des Hier und Jetzt lebt er in der
Illusion der Vergangenheit und der Zukunft. Er wird durch die Geschehnisse bestimmt. Sein
künstliches Ich (Selbstbild) kann "auf nichts mehr fußen" und muß sich
dauernd beschützen gegen den Identitätsverlust, deshalb die niemals nachlassende Sucht
nach Selbstkontrolle, Unterdrückung, Verdrängung, Kontrolle, Beherrschung und Eroberung.
53. So schaffte er die moderne Wissenschaft,
die Technologie und den Kapitalismus, die ihm daraufhin in seinen Fesseln haben. Seine
Gefühlswelt ist verkümmert und was "Du nicht fühlst, das berührt Dich
nicht". Subtilität, Schönheit und Balance sind fern zu suchen. Die Liebe scheint
auf Oberflächlichkeit, Selbstsucht und Beziehungsprobleme reduziert zu sein. Das
Mitgefühl zum anderen scheint ausgetrocknet. Unwissenheit und Gleichgültigkeit feiern
ihren Höhepunkt. Alles scheint unwirklich zu sein, eine große virtuelle Realität, eine
Scheinwelt, wo nichts mehr was bedeutet. Eine Welt, voll Surrogaterfahrungen, wo niemand
mehr echt dabei gehört. "Ich gucke TV, also bin ich". Die Menschen sind auf
sichselbst zurückgeworfen, sie laufen auf der Straße und sind in ihren eigenen Gedanken
eingefangen. Abwesend, wie in Trance. Reduziert zu Konsumsklaven tun sie ihre tägliche
Pflicht: arbeiten und einkaufen. "Haben" hat den Platz von "Sein"
vollständig eingenommen, das traurigste "menschliche Niveau", das die
Geschichte jemals gekannt hat. Der Mensch fühlt sich entwurzelt. Wenige Menschen fühlen
einen echten Bezug zu dem Ort, dem Viertel oder der Region, in der sie wohnen. Viele leben
in Angst und Unsicherheit und ... Armut, in großer ZERRÜTTUNG. Streß und Krankheit
nehmen dramatisch zu, während "die Probleme in der Außenwelt" nicht mehr zu
überschauen sind. Sie sind eine Abspiegelung unseres innerlichen Zustandes
Die Produktion
existiert nicht für uns, wir existieren für die Produktion
54. Das überaus Tragische ist, daß das Ego
nicht selber Schuld ist an seiner Zerrüttung. Damals hatten die Menschen keine andere
Wahl. Später blähte es sich dann weiter auf, wodurch das Böse in der Welt um viele Male
zunahm. Man/frau kann die Geschichte vom Standpunkt des Egos und vom Standpunkt der
Ganzheit betrachten. Das Ego betrachtet sichselber als Mittelpunkt, als hätte es vor ihm
nichts gegeben. Es betrachtet alles aus seinem eigenen Selbst heraus. Es hat keine andere
Maßstäbe als nur die aus seiner Gedankenkonstruktionen. Gemessen an seinem bescheidenen
Anfang, hat das Ego tatsächlich eine großartige Karriere hinter sich. Als künstliche
Identität, eine Abspaltung vom Ganzen, steht es jetzt mit dem Rücken gegen die Wand.
Sein "Fortschritt" ist zur Bedrohung für das Überleben schlechthin verworden.
Um das alles zu verstehen, brauchen wir dringend eine andere Interpretation der
Geschichte. Es ist die aus der Perspektive der Ganzheit heraus. Für sie sind die zwei
Millennia nicht nur "Fortschritt" gewesen. Die Abspaltung des Ego aus der
Ganzheit war der Beginn des Niedergangs. Alle Bedingungen, die zu unserer ZERRÜTTUNG
geführt haben, waren in der Geschichte anwesend. Der moderne Mensch bekommt die Rechnung
der Jahrhunderte präsentiert. Alles Verdrängte aus der Geschichte hat sich in der
heutigen Zeit angehäuft. Die Gesellschaft ist der Niederschlag der kollektiven Ego-Sucht,
eine worin der Mensch selbst seinen Drang nach Überleben verloren hat. Dafür müssen
tiefe Ursachen bestehen. In einem Sinn zusammengefaßt ist dies der Verlust des Kontaktes
mit der Wirklichkeit. Hierbei kann das Christentum als Hauptverantwortlicher angewiesen
werden. Zuwillen ihrer Machtsobsessionen wurden die Menschen mit Gewalt entwurzelt,
verfremdet von der unmittelbaren Kontakt mit "Himmel und Erden", und
dadurch Verlust seines regenerativen Vermögens.
Durch seinen Akzent auf
"persönliche Erlösung" ist das Christentum die Basisursache des modernen
Individualismus
Die
leeren Kirchen von heute sind das Resultat von
2000 Jahren Unterdrückung
55. Einmal in der Selbstsucht ist der
Weg zurück abgeschnitten. Das Ego als vollständiger Bruch mit dem Wahren Selbst verfügt
ja nicht mehr über das heilende Vermögen des Verwurzelt-Seins. Es wurde und blieb eine
abgeschnittene und von der Essenz verfremdete Instanz. Das regenerierende Vermögen einer
ganzen Kultur war zerstört. Das Ego ist keine natürliche Phase in der
Menschheitsentwicklung, sondern ist durch Gewalt und Unterdrückung entstanden! Hiermit
war das Böse geschehen. Die spirituelle Amputation hatte weitreichende Folgen. Die
Geschichte selbst gerät zerrüttet. Anstelle eines spirituellen Kontext zu haben
Kerngeschichte wurde sie dem entgegen reduziert auf eine oberflächliche (und also
sinnlose) Aufeinanderfolge von Geschehnissen.
56. Was später noch alles passierte, war im
Verhältnis weniger wichtig. Genauso wie beim Individuum, sind die "ersten Jahre der
Kultur" für ihre psychologische Gesundheit ausschlaggebend. Was in den ersten zehn
(sechzehn) Jahrhunderten im Westen angerichtet wurde, konnte in der darauffolgenden Zeit
niemals zurückgedreht werden. Von diesem Moment an war die weitere Degeneration der
Kultur unausweichlich: bis zur großen ZERRÜTTUNG (Konsumsklaven) von heute. Die Kirche
als "Hüter der Wahrheit" und als "Quelle des Heils", sie, die das
"Böse der Säkularisation" bekämpft, hatte der Menschheit ihr "Heil"
und ihre "Wahrheit" mit Gewalt auferzwungen, die ursprüngliche Ganzheit von
"Himmel, Erden und Gemeinschaft" zerstörend, so daß den Menschen nichts
anderes übrig blieb, denn zurückzufallen auf das Ego. Ego-Expansion bzw. Selbstsucht
sind ja eine Überkompensation für das Fehlen von Spiritualität. Letztere wurde durch
eine Surrogatwirklichkeit ersetzt. Die Kirche streitet folglich gegen das
("Säkularisation"), was sie selbst verursacht hatte. Das tiefe Verlangen nach
den Wurzeln, das Wiederherstellen des Kontaktes mit der Wirklichkeit mit
"Himmel und Erden" nach "Sichselbst-Sein in Verbundenheit";
nach Einheit in Verschiedenheit, ist darum der Urschrei des westlichen Menschen. Gegen das
Licht aller Sinnlosigkeit, könnte dies nun der "Sinn" unserer abendländischen
Leidensgeschichte sein: ein Leiden, das zur Großen Umkehr führt.
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Princeton
V.Zingsem "Göttinnen grosser Kulturen", 1999 dtv
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T.Freke & P.Gandy "De Hermetica", 1999 Element
S.Devi "Son of the Sun", 1996 AMORC
J.Robinson "The Nag Hammadi Library"1988 Leiden.
E.Pagels "De Gnostische Evangelien" 1985 Gaade
M.Buber "Ekstatische Konfessionen" 1929 Berlin
N.Cohn "The Pursuit of the Millenium" 1970 Oxford University Press
N.Cohn "Europes inner demons" 1975 Paladin
E.Conze "Buddhism, its essence and development"1951 Harper & Row
G.Denzler "Wiederstand oder Anpassung?"
(Katholische Kirche und Drittes Reich) 1984 Piper
K.Deschner "Das Kreuz mit der Kirche" 1973 Heyne
"Abermals krähte der Hahn", 1996 Goldmann
"Kriminalgeschichte des Christentums", Band 1/6 1986 Rowohlt
Meister Eckhart "Deutsche Predigten und Traktate", 1979 Diogenes
M.Erbstosser "Ketzer im Mittelalter" 1984 Edition Leipzig
G.Graichen "De nieuwe heksen" 1987 De Kern
H.Grundmann "Religiöse Bewegungen im Mittelalter" 1977 G.Olms
C.G.Jung "Four Archetypes" 1959 Princeton.
R.E.Lerner "The Heresy of the Free Spirit", 1972 Berkeley
H.C.Lea "De Inquisitie in de Middeleeuwen" 1966 Spektrum
J.Lindeboom "Stiefkinderen van het Christendom" 1929 Nijhoff
A.Mens "Oorsprong en betekenis van de Nederlandse Begijnen
en Begardenbeweging" 1947 Standaard
W.Nigg "Tragiek en triomf van het geweten" 1965 Ploegsma
E.Pagels "Adam, Eva en de slang" 1989 Servire
G.Palmer e.a. "The Philokalia" 1979 Faber and Faber
R.R.Palmer "A History of the Modern World" 1983 Columbia University Press.
M.Porete "Der Spiegel der einfachen Seelen" 1987 Artemis
K.O.Schmidt "Meister Eckharts Weg zum kosmischen Bewußtsein" 1969 Drei Eichen
C.Schuurman "Stem uit de diepte" 1978 Ankh Hermes
F.J.Schweitzer "Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik" 1981 Peter D.Lang
J.Sudbrack e.a. "Grosse Mystiker" 1984 C.H.Beck |